03.02.2015: Goethe-Institut und HKW eröffnen Farocki-Ausstellung in Berlin
Farocki-Ausstellung „Eine Einstellung zur Arbeit" eröffnet im Haus der Kulturen der Welt

Gearbeitet wird überall – in den industriellen urbanen Zentren, den Großstädten der Welt, ebenso wie im Dorf oder der Kleinstadt. Und doch kommt Arbeit in der Filmkultur nur am Rande vor. Diese Leerstelle hat den im Juli 2014 verstorbenen Künstler und Filmemacher Harun Farocki beständig umgetrieben. Arbeit als Sujet, Film als Medium und Ausdrucksmittel – in diesem Spannungsfeld bewegen sich Ausstellung, dreitägige internationale Konferenz und ein begleitendes Workshop-Programm. Entstanden als ein Projekt des Goethe-Instituts mit 15 involvierten Standorten auf 5 Kontinenten, präsentiert „Eine Einstellung zur Arbeit“ im Haus der Kulturen der Welt vom 26.2. bis 6.4.2015 eine Enzyklopädie der globalen Arbeitsverhältnisse im 21. Jahrhundert.
 

Gemeinsam mit Filmemacherinnen und Filmemachern haben Harun Farocki und die Kuratorin und Künstlerin Antje Ehmann in Workshops auf fünf Kontinenten erforscht, was man heute unter Arbeit versteht. Entstanden sind über 400 ein- bis zweiminütige Filme, angelehnt an den Filmklassiker „Arbeiter verlassen die Lumière-Werke“ von 1895. Die Vorgaben an die Workshopteilnehmer: Jeder Film darf nicht länger als zwei Minuten sein. Er muss von Arbeit handeln. Er darf keinen Schnitt enthalten.
 
In der Ausstellung im HKW kommen die Filmminiaturen in eine räumliche Form. Das Nebeneinander der bewegten Bilder ermöglicht es dabei, feinste Fäden der Beziehung zu spinnen, verdeutlicht aber auch Brüche und Unterschiede. Rhythmisierendes Element des Raumkonzepts der Architekten Kuehn Malvezzi ist der Halbkreis. Ein Vorhang trennt die großflächigen Projektionen der Workshopfilme in der Ausstellungshalle von den Aktualisierungen des Lumière-Films: „Arbeiter verlassen ihren Arbeitsplatz“, gedreht in 15 Städten der Welt. Dazu bieten hintersinnige Piktogramme von Alice Creischer und Andreas Siekmann Informationen zu den 15 Produktionsorten. Der Halbkreis als ordnendes Element setzt sich im Foyer des HKW fort. Dort entfalten sich Farockis Studien über die Veränderungen von Arbeit im Lauf der Zeit „Arbeiter verlassen die Fabrik in 11 Dekaden“ (1995/2014) in einer Videoinstallation.
 
Die Konferenz nimmt die Ausstellung zum Anlass, um anhand der Filme den Such- und Denkbewegungen Ehmanns und Farockis zu folgen und Assoziations- und Analyseräume zum Begriff und zum Phänomen Arbeit in Zeiten von Globalisierung und Flexibilisierung neu zu behandeln. Diskutiert wird u.a. wie Praktiken des Arbeitens das Leben strukturieren, inwieweit Produktionsbedingungen Lebensformen bestimmen. Wie lassen sich globale Ausprägungen von Arbeit und „Inwertsetzung“ diskutieren in einer Zeit, in der Arbeit zunehmend unsichtbar wird? Welches diskursive Potenzial, welche Möglichkeiten der Kritik birgt das Mittel filmischer Verdichtung? Und wie verändert sich der Blick, wenn er um global-historische Perspektiven erweitert wird?
 
Eröffnet wird die Konferenz am Donnerstag, 26.2., mit einer Keynote von Thomas Elsaesser, Filmwissenschaftler an der Universität Amsterdam. Unter dem Motto „Mit Farocki denken“ zeichnen am Freitag, 27.2., Weggefährten und Begleiter wie Hito Steyerl, Filipa César und Anselm Franke sein Wirken als Filmemacher, Mentor und Lehrmeister nach. Am Samstag, 28.2., eröffnet eine Auswahl spezifischer Filme den Einstieg in die Panels und dient als gemeinsame Wissensbasis für Präsentationen und Diskussionen. John Akomfrah, Gadi Algazi, Diedrich Diederichsen, Tom Holert, Rahel Jaeggi, Gertrud Koch, Prabhu Mohapatra u.a. sind Teilnehmer der Runden, die sich nach den thematischen und assoziativen Begriffsfeldern „Hände/Werkzeug/Gesten“, „Kreis/Rhythmus/Ritual“, „Hingabe/Genauigkeit/Berufung“ und „Inwertsetzung“ sortieren.
 
Die Vermittlung und Öffnung seiner Arbeit für junge Menschen und über das klassische Kunst- und Filmpublikum hinaus war Harun Farocki ein wichtiges Anliegen, weshalb auch das Begleitprogramm zur Ausstellung gemeinsam mit ihm und Ehmann entwickelt wurde. An drei Sonntagen im März können Kinder ab 6 Jahren ausprobieren, wie Filme entstehen und funktionieren. Wie gehen Bilder arbeiten? Was bewirkt die Einstellung? Wie lässt sich ein Film kleben? Mit dabei: Christian Sonntag (VJ und Medienkünstler), Stefanie Schlüter (Filmvermittlerin), Maria Mohr (Dokumentarfilmerin) und Ute Aurand (Experimentalfilmerin).
 
Expertinnengespräche mit der ver.di-Gewerkschaftlerin Susanne Stumpenhausen (8.3.), der Juristin Miriam Saage-Maaß, Business and Human Rights Program, ECCHR (15.3.) und der Migrationsforscherin Manuela Bojadzijev (22.3.) greifen Themen der Ausstellung auf. Über ausgewählte Filme von Harun Farocki wird mit den Filmkritikern und –wissenschaftlern Michael Baute, Volker Pantenburg und Bert Rebhandl diskutiert.
 
Harun Farockis Arbeiten haben das HKW in den vergangenen Jahren begleitet und bereichert: Wiederholt beim „Berlin Documentary Forum“ und im Rahmen der Ausstellung „Das Potosí-Prinzip“, initiiert von Alice Creischer, Andreas Siekmann und Max Jorge Hinderer. „Eine Einstellung zur Arbeit“ war unter anderem 2014 im Rahmen der Ruhrtriennale im Museum Folkwang in Essen und in der Mills Gallery/Boston Center for the Arts zu sehen. Weitere Orte sind in Planung. Das Raumkonzept der Berliner Ausstellung wurde vom Architekturbüro Kuehn Malvezzi entworfen, 2015 Gewinner der Ausschreibung für die Einheitskirche am Berliner Alexanderplatz.
 
Mit John Akomfrah, Alexander Alberro, Gadi Algazi, Nora M. Alter, Dirk Baecker, Michael Baute, Wolfgang Beilenhoff, Raymond Bellour, Christa Blümlinger, Filipa César, Diedrich Diederichsen, Thomas Elsaesser, Kodwo Eshun, Anselm Franke, Detlef Gericke-Schönhagen, Maren Grimm, Roy Grundmann, Ayesha Hameed, Tom Holert, Ute Holl, Rahel Jaeggi, Gertrud Koch, Christine Lang, Isabell Lorey, Doreen Mende, Prabhu Mohapatra, Armin Nassehi, Christine Noll Brinckmann, Volker Pantenburg, Birger Priddat, Constanze Ruhm, Werner Ružička, Anjalika Sagar, Peter Schwartz, Bernhard Siegert, Hito Steyerl, Gregory Williams, Klaus Wyborny.
 
Pressekonferenz
Donnerstag, 26.2.2015, 11 Uhr
mit Antje Ehmann, Künstlerin und Kuratorin, Katrin Klingan, Leiterin Bereich Literatur, Gesellschaft und Wissenschaft HKW, Detlef Gericke-Schönhagen, Leiter Goethe-Institut Boston/Vilnius, und Bernd Scherer, Intendant HKW
 
Eröffnung
Donnerstag, 26.2.2015, 18 Uhr
mit Bernd Scherer, Johannes Ebert, Generalsekretär Goethe-Institut, Andreas Eckert, Direktor Forschungskolleg re:work, und Detlef Gericke-Schönhagen
 
Das gesamte Programm zu Ausstellung, Konferenz und Begleitprogramm: www.hkw.de/arbeit
 
Akkreditierung, Interviewwünsche und weitere Informationen:
presse@hkw.de
Tel.: +49 30 39787-196/153
Fax: +49 30 3948679
Pressebilder: www.hkw.de/pressefotos
Eine Einstellung zur Arbeit Netkatalog: www.eine-einstellung-zur-arbeit.net
 
„Eine Einstellung zur Arbeit“ ist eine Produktion des Hauses der Kulturen der Welt in Kooperation mit Harun Farocki Filmproduktion und dem Goethe-Institut in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Geisteswissenschaftlichen Kolleg „Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive“ (re:work) an der Humboldt-Universität zu Berlin. Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds. Das Exzellenzprojekt „Labour in a Single Shot/Eine Einstellung zur Arbeit“ ist eine Koproduktion der Harun Farocki Filmproduktion mit dem Goethe-Institut. Gesamtleitung: Detlef Gericke-Schönhagen, Goethe-Institut Boston/Goethe-Institut Vilnius. Workshops, Filme und Gespräche in Zusammenarbeit mit ver.di, dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg, ver.di Jugendbildungsstätte Berlin-Konradshöhe e.V. und der filmArche e.V.
 
Kontakt:
 
Anne Maier
Pressereferentin
Haus der Kulturen der Welt
Tel.: +49 30 39787 196
presse@hkw.de
 
Viola Noll
Pressereferentin
Goethe-Institut
Hauptstadtbüro
Tel.: +49 30 25906 471
noll@goethe.de