Jael Quiroga Carrillo, Direktorin der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation REINICIAR, hat einen Traum für ihr Land. REINICIAR-Anwältin Luz Stella Aponte Jaramillo vergleicht Deutsche und Kolumbianer*innen. Beide Frauen wurden mit dem deutsch-französischen Menschenrechtspreis 2014 ausgezeichnet.
Eines Morgens aufzuwachen und niemand in Kolumbien wäre ein Opfer von Menschenrechtsverletzungen und der Krieg wäre vorbei: Das wäre das Schönste für mich! All die ehemaligen Krieger könnten einfach politischen Parteien beitreten, in einer pluralistischen Demokratie wie in Deutschland, an der sich jeder aktiv beteiligen kann – ohne sein Leben zu riskieren.
In Kolumbien dauert der bewaffnete Konflikt seit 50 Jahren an. Zehn Millionen Opfer fordern Gerechtigkeit. Nicht unbedingt die Bestrafung der Verantwortlichen, sondern vor allem soziale Gerechtigkeit. Viele, die unter der Gewalt gelitten haben, sind verarmt. Sie brauchen eine Perspektive und Reformen, die den Opfern und dem Land eine Zukunft ermöglichen.
Die Aussagen des Direktors der Stasi-Forschungs- und Gedenkstätte haben mich sehr überrascht. Als ich ihn fragte, wie er über die Menschenrechtsverletzungen in der DDR und den Zusammenbruch des Systems denke, sagte er, den Opfern gehe es heute relativ gut, weil sie jetzt Rechte haben. Das Wichtigste ist doch, in einer wahren Demokratie zu leben. Es hilft nicht, allein die Verantwortlichen zu suchen und zu bestrafen.
Drei Fragen an...
Luz Stella Aponte Jaramillo über ihre Reise-Erfahrungen.
Beruflich wie auch auf dieser Reise beschäftigen Sie sich mit der Frage, wie sich Vergangenheit aufarbeiten lässt. Lassen sich Deutschland und Kolumbien hier vergleichen?
Die Vergangenheit beider Länder unterscheidet sich natürlich sehr, genau wie die Art und Weise, wie wir den Krieg betrachten. Der Krieg, den Deutschland viele Jahre führte, war für jedermann sichtbar. Bei uns hingegen gibt es einen bewaffneten Konflikt, der seit 50 Jahren anhält – und trotzdem ist er vielen Menschen noch immer nicht bewusst. So sehr gehört der Krieg mittlerweile zum Alltag.
Was können wir gegenseitig voneinander lernen?
Wir Kolumbianer können vor allem von den Deutschen lernen, wie man demokratische Institutionen stärkt. Und die Deutschen könnten sich vielleicht von uns etwas mehr Solidarität abgucken. Trotz aller Schwierigkeiten gibt es wahnsinnig viel Brüderlichkeit in unserem Land.
Was hat Sie auf Ihrer Deutschlandreise am meisten verwundert?
Die Filme im Kino haben uns immer erzählt, dass die Deutschen ein sehr ernstes Volk sind. Das sind sie im Prinzip auch. Aber die Gesprächspartner, die wir trafen und näher kennenlernen durften, waren nicht nur großartig und sehr offen, sondern auch sehr humorvoll.