Ehrenamtliche Bibliotheksarbeit
Eine feste Größe

Bürgerschaftliches Engagement gewinnt in der alternden Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Auch Bibliotheken bieten Senioren vielfältige Möglichkeiten, ehrenamtlich aktiv zu werden.
Die deutsche Gesellschaft wird immer älter. Und mit der Lebenserwartung steigt zugleich die Erwartung an ein erfülltes Dasein – auch nach dem Berufsleben. Soziale Kontakte, feste Strukturen, gezollte Anerkennung verleihen ehrenamtlichen Tätigkeiten einen sinnstiftenden Charakter. Und zugleich machen sie den Aktiven Freude. So gewinnt bürgerschaftliches Engagement immer mehr an Bedeutung.
Auch in Bibliotheken nimmt der Einsatz Ehrenamtlicher zu. Zehntausende spenden hier ihre Zeit, wie eine bundesweite Befragung des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv) ergeben hat. Wie oft und wie lange die Ehrenamtlichen in Bibliotheken tätig sind, ist durchaus unterschiedlich. Die Palette reicht von wenigen Stunden pro Monat bis hin zu regelmäßigen wöchentlichen Einsätzen. Dabei haben die meisten einen recht langen Atem: 93 Prozent der Ehrenamtlichen in Bibliotheken sind länger als ein Jahr tätig.
Beispiel Bücherhallen Hamburg
Für die Bücherhallen Hamburg, ein großstädtisches Bibliothekssystem mit 36 Standorten, engagieren sich beispielsweise knapp 400 Menschen ehrenamtlich. „Schätzungsweise bis zu 50 Prozent unserer Ehrenamtlichen sind über 60 Jahre alt, wobei alle unsere Ehrenamtsprojekte offen für jede Generation sind“, erklärt Uta Keite, die dortige Referentin für Bürgerengagement.
In Hamburg sind es vor allem vier Projekte, in denen sich die Ehrenamtlichen aktiv einsetzen: Gesprächsgruppen für Menschen mit Migrationshintergrund, ein Integrationsprojekt zur frühkindlichen Sprachförderung, Vorlesestunden sowie ein ehrenamtlicher Medienlieferdienst für hausgebundene Personen. Im Rahmen des letztgenannten Projekts sind beispielsweise 170 Medienboten in ganz Hamburg unterwegs.
Dabei betreut jeder Medienbote eine nicht mehr mobile oder hochbetagte Person. „Das Buch oder Hörbuch, das vorbeigebracht wird, ist wichtig. Genauso wichtig aber sind die geschenkte Zeit und das Zuhören“, erläutert Uta Keite.
Funktionen des Ehrenamts
Die Betreuung von Lese- und Zeitzeugencafés, die Organisation von Lesungen oder Bücherflohmärkten – die Aufgaben ehrenamtlicher Kräfte in Bibliotheken sind recht unterschiedlich. Im ländlichen Raum, im kommunalen und kirchlichen Bereich übernehmen sie sogar tragende Funktionen, wie die komplette Betreuung der Bibliothek: vor allem dann, wenn es aus Kostengründen keine Hauptamtlichen gibt.
Allerdings, so heißt es im dbv-Positionspapier Bibliotheken und Bürgerschaftliches Engagement, werde „von Politik und Verwaltung zu oft um bürgerschaftliches Engagement geworben, wenn Lückenbüßer für nicht (mehr) ausreichend vorhandenes fachlich ausgebildetes Personal benötigt werden.“ Dadurch entstehe die Gefahr, sowohl das bürgerschaftliche Engagement als auch das hauptamtlich tätige Personal abzuwerten und gegeneinander auszuspielen.
Ehrenamtler als Ergänzung
„Wir setzen bewusst keine Ehrenamtlichen im regulären Bibliotheksbetrieb ein“, erklärt Uta Keite. „Das mag in einer kleinen Gemeindebibliothek funktionieren, in der an fünf Stunden pro Woche ein paar Kinderbücher und Romane ausgeliehen werden können. Aber in einem so großen Haus wie unserem, das sehr professionell arbeitet, funktioniert das nicht. Viele einfache Tätigkeiten, wie das Verbuchen von Medien, laufen bei uns mittlerweile automatisiert. Für alles andere braucht man eine qualifizierte Ausbildung. Dafür ist die Bibliothek von heute zu anspruchsvoll.“
In den Bücherhallen Hamburg setzt man also auf die ergänzende Funktion des Ehrenamts. „Mit unseren Ehrenamtlichen realisieren wir ausschließlich zusätzliche Dienstleistungen. Das sind Dienstleistungen, die sich ohne das Engagement der Zeitspender nicht finanzieren ließen, die aber aus unserer Sicht gesellschaftlich dringend notwendig sind.“
Ehrenamt schafft Hauptamt
Alle Ehrenamtlichen erhalten in Hamburg – je nach Aufgabe – eine spezielle Fortbildung und werden von einer hauptamtlichen Kraft betreut. „Wir realisieren bewusst kein Ehrenamtsprojekt ohne Hauptamt“, unterstreicht Uta Keite. So geht es bei den Bücherhallen auch nicht darum, Mittelkürzungen aufzufangen. Im Gegenteil: Durch die ehrenamtlichen Projekte konnten zusätzliche hauptamtliche Stellen geschaffen werden.
„Die immer älter werdende Gesellschaft muss Möglichkeiten bieten, sich selbst einzubringen. Mit unseren Projekten liefern wir eine adäquate Antwort auf die große Nachfrage von Ehrenamtlichen, die sinnstiftende Betätigungsfelder suchen“, betont Uta Keite. Für die Bücherhallen sind die erfolgreichen Ehrenamtsprojekte mittlerweile ein wichtiges Marketinginstrument geworden. Mit ihnen konnte sich die Bibliothek ein ganz neues Standing in der Stadt erarbeiten. Und egal, ob jung oder alt: Ein Mangel an Ehrenamtlichen ist nicht abzusehen. Für einige Projekte führt man in Hamburg sogar Wartelisten.