Digitale Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern
Blick über den Tellerrand

Seit November 2010 schaffen Bibliotheken, Archive und Museen in Mecklenburg-Vorpommern in einem Pilotprojekt gemeinsam die Voraussetzungen für eine digitale Bibliothek, um das Kulturgut des norddeutschen Bundeslands sichtbarer und leichter verfügbar zu machen.
Die Entwicklung der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) und ihrer europäischen Schwester, der Europeana, übt Druck auf Bibliotheken, Archive und Museen aus. Möglichst viele Kultureinrichtungen sollen hier ihre Digitalisate einspeisen. Dabei verstehen sich beide Portale als zentrale Zugangsorte zu dezentral vorhandenen digitalen Inhalten. Damit verbleibt die Verantwortung für die Digitalisierung, die Erfassung von Metadaten und die Langzeitarchivierung bei den teilnehmenden Einrichtungen. Und es ist auch an ihnen zu entscheiden, welche ihrer Schätze sie digital zugängig machen wollen.
Spartenübergreifendes Zusammenspiel
In Mecklenburg-Vorpommern nimmt man diese Aufgaben sehr ernst. Unter Federführung der Universitätsbibliothek Greifswald wurde dort im November 2010 ein Pilotprojekt gestartet, das die Grundlagen für eine spartenübergreifende Digitale Bibliothek des Bundeslands legen soll. Bereits beim Projektantrag saßen Vertreter von Archiven, Bibliotheken und Museen aus Mecklenburg-Vorpommern an einem Tisch, und in mehreren Workshops wurden gemeinsam die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung ausgelotet.
Das Ergebnis des Pilotprojekts wird der Prototyp eines Landesportals, in dem sich alle drei Sparten – Bibliotheken, Archive und Museen – wiederfinden. Der Nutzer soll dort ganz nach Belieben spartenübergreifend oder auch -spezifisch suchen können. Darüber hinaus soll das Portal beispielhaft das Spektrum an Digitalisaten im Land zeigen.
Technische Weiterentwicklung
Auf dem Weg dahin geht es einerseits darum, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, andererseits beispielhafte Digitalisierungen durchzuführen. „In der ersten Pilotphase haben wir eine Schnittstelle geschaffen, um die vorhandenen Metadaten aus dem Archivsystem des Landes automatisiert in ein gemeinsames System überspielen zu können“, erklärt Dr. Peter Wolff, der Direktor der Universitätsbibliothek Greifswald.
In der zweiten Pilotphase, die bis Ende März 2012 läuft, soll eine Schnittstelle für die Museen implementiert werden. „Außerdem arbeiten wir zurzeit an der Verbesserung des Viewers. Und auch der Workflow – von der Digitalisierung über die Katalogisierung bis zum Online-Stellen – soll weiter automatisiert werden.“
Exemplarische Digitalisierungen
Für die Weiterentwicklung der Technik ist es der Universitätsbibliothek Greifswald gelungen, 30.000 Euro bei der Agnes-Lohmann-Stiftung einzuwerben. Für die exemplarischen Digitalisierungen im Rahmen der beiden Pilotprojekte hat das Bildungsministerium in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 85.000 Euro bereitgestellt.
Dazu gehört die Digitalisierung von mehreren Tausend Karten, die in Zusammenarbeit mit dem Geografischen Institut der Uni Greifswald erfasst wurden. „Im Archivbereich haben wir uns den Schwerpunkt ‚Norddeutsche Chroniken‘ gesetzt. Acht Archive aus Mecklenburg-Vorpommern digitalisieren Chroniken der verschiedensten Jahrhunderte aus ihren Beständen“, berichtet Wolff.
Darüber hinaus werden 370 Objekte aus der Gemäldesammlung des Pommerschen Landesmuseums in Greifswald digitalisiert sowie Gemälde, Plastiken und Grafiken der Sammlung Böhmer aus dem Kulturhistorischen Museum der Stadt Rostock, der letzten geschlossenen Sammlung aus der Aktion „Entartete Kunst“ der Nationalsozialisten.
Bestandsanalyse: Digitalisierung in Mecklenburg-Vorpommern
Ein weiteres Projekt-Ergebnis soll eine Bestandsanalyse sein. 425 Archive, Bibliotheken und Museen wurden dafür befragt. „Wir wollen wissen: Was gibt es an digitalisierungswürdigem Kulturgut in Mecklenburg-Vorpommern? Ist es von regionaler, nationaler oder sogar internationaler Bedeutung? Gibt es bereits Digitalisate? Und: Welche Erfahrungen gibt es mit der Digitalisierung?“, erläutert der Bibliotheksdirektor.
So sollen die materiellen und personellen Ressourcen im Land erfasst werden. „Danach ist es an dem Bundesland zu entscheiden, wie es mit der Digitalisierung weitergeht. Ich denke, wir sollten insgesamt nicht nur auf die Finanzierung durch das Land abstellen, sondern schauen, wo wir Sponsoren finden oder wo EU-Projekte möglich sind.“
Jenseits des eigenen Berufsfelds
Was die Menge der digital vorhandenen Kulturgüter angeht, so hat Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich mit anderen Bundesländern sicher Nachholbedarf. Doch mit dem Projekt „Digitale Bibliothek MV“ hat es eine Vorreiterrolle übernommen – beim Zusammenspiel der Sparten Bibliotheken, Archive und Museen.
„Es ist ganz heilsam, über die Grenzen des eigenen Berufsfelds zu blicken. Zwar sind bei der Digitalisierung in den einzelnen Sparten viele Probleme sehr ähnlich, dennoch ist die Sicht der Dinge eine ganz andere. Man hat es nicht nur mit anderen Objekten, sondern auch mit anderen Ansprüchen der Nutzer zu tun“, resümiert Peter Wolff. „Als Bibliothekare sind wir Spezialisten, unsere Nutzer sind das keineswegs. Wir können ihnen viel mehr zutrauen, weil sie in der Regel viel offener sind als wir selbst. Das ist eine spannende Erfahrung.“