Plagiatsprävention
Plagiate als Herausforderung für Bibliotheken?
Wie gehen Bibliotheken in Deutschland mit Plagiaten um und welchen Beitrag können sie bei der Prävention leisten? Ein Gespräch mit Dr. Arne Upmeier, Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Ilmenau und Vorsitzender der Rechtskommission im Deutschen Bibliotheksverband.
Herr Upmeier, sind Plagiate ein besonderes Thema für Bibliotheken?
Ja und nein. Einerseits gehen gesellschaftliche Diskussionen wie die um die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg nicht spurlos an Bibliotheken vorbei. Weil Plagiate ganz überwiegend bei Texten auftreten, sind Bibliotheken natürlich besonders involviert.
Andererseits sind Bibliotheken trotzdem nicht die ersten Ansprechpartner bei Problemen mit Plagiaten. Bei Doktorarbeiten beispielsweise sind zunächst die jeweilige Prüfungskommission und die Universität gefragt, die eine Arbeit zur Promotion angenommen haben.
Bibliothek ist keine Kontrollinstanz
Die Qualitätskontrolle ist also nicht Aufgabe der Bibliotheken …
Nein, Bibliotheken selbst können nur in sehr begrenzten Maße eine Qualitätskontrolle leisten. Sie können erst tätig werden, wenn eindeutig bekannt geworden ist, dass es sich bei einem Text um ein Plagiat handelt. Dies ist erst dann der Fall, wenn es entweder deutlich sichtbar über die Presse verbreitet wird oder wenn die Bibliothek durch ein Schreiben der jeweiligen Universität oder eines Betroffenen davon in Kenntnis gesetzt wird.
Das gilt übrigens keineswegs nur bei Plagiaten. Es kommt immer wieder mal vor, dass in Büchern Rechtsverletzungen stehen, die erst später bekannt werden. Auch Ehr- oder Patentverletzungen oder Fälle von Volksverhetzung werden oft erst bekannt, wenn ein Text schon in den Bibliotheken steht.
Gibt es in Deutschland eine Richtlinie, die Bibliothekaren bei Entscheidungen hilft?
Nein, und eine solche Richtlinie kann es wohl auch gar nicht geben, denn dazu sind die Fälle viel zu unterschiedlich. In Einzelfällen kann die Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbands aber Empfehlungen aussprechen.
Ein großes Problem für allgemeine Richtlinien ist, dass der Begriff „Plagiat“ viel zu unbestimmt ist. Nicht jedes Plagiat ist eine Urheberrechtsverletzung und nicht jede Urheberrechtsverletzung ist ein Plagiat. Bei einem Plagiat im wissenschaftlichen Sinne handelt es sich zunächst um einen Verstoß gegen wissenschaftliches Wohlverhalten. Solange noch umstritten ist, ob es sich bei einem Text oder einer Textpassage um ein Plagiat handelt, dürfen Bibliotheken der Entscheidung von Gerichten oder Wissenschaftsorganisationen nicht vorgreifen.
Generell lässt sich aber sagen: Das Bestreben der Bibliotheken muss immer darauf gerichtet sein, so viele Informationen wie möglich frei zur Verfügung zu stellen. Das betrifft sowohl die umstrittenen Texte als auch die Informationen zu angeblichen oder tatsächlichen Verstößen.
Kennzeichnung von Plagiaten
Wie gehen die Bibliotheken mit Plagiaten um?
Die Doktorarbeit von zu Guttenberg hat deutlich gezeigt, dass manche Bücher, gerade weil sie Plagiate sind, von besonderem Interesse sind. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den damaligen Verteidigungsminister gab es eine sprunghafte Nachfrage nach dem Buch in allen Bibliotheken.
Es wäre aber ganz falsch und sogar eine Form von Zensur, wenn Bibliotheken das Buch deshalb dem Forschungsinteresse entziehen wollten. Würden die Bibliotheken das Buch aus dem Bestand nehmen oder wegschließen, wäre der Öffentlichkeit ja auch jede Möglichkeit genommen, sich in einer wichtigen politischen Frage objektiv zu informieren.
Was haben die Bibliotheken dann konkret gemacht?
Die meisten Bibliotheken sind so verfahren, dass die Arbeit von zu Guttenberg von der Ausleihe außer Haus gesperrt wurde. Dies ist schon aus Gründen der Diebstahlprävention sinnvoll, denn die Antiquariatspreise für das Buch sind inzwischen erheblich.
Außerdem wird jeder Nutzer des Buches auf die besondere Problematik hingewiesen, zum Beispiel durch ein dem Buch beigelegtes Schreiben oder einen Eintrag im Katalog. Jeder Leser oder jede Leserin, die so ein Buch in den Lesesaal ausleiht, weiß also um die Problematik und kann den Text dann entsprechend einordnen.
Aufklärung durch Schulungen
Helfen Bibliotheken dabei, Plagiate aufzudecken?
Wie schon gesagt, können Bibliotheken keine Inhaltskontrollen durchführen und das ist auch nicht ihre Aufgabe. Wenn dies gewünscht ist, können Bibliotheken aber beratend tätig werden, etwa bei der Auswahl einer geeigneten Plagiatssoftware. Es gibt in der Regel nämlich niemanden, der sich besser beim Umgang mit großen Informationsmengen auskennt, als die Bibliothekarinnen und Bibliothekare vor Ort. Genau diese Expertise wird gebraucht, wenn man es mit Plagiaten zu tun bekommt.
Und wie sieht es mit der Prävention aus?
Bibliotheken können ganz wesentlich zur Prävention beitragen. Um Plagiate zu verhindern, ist vor allen Dingen Aufklärung gefragt und genau das können Bibliothekare tatsächlich leisten. Durch das Internet ist die Menge der verfügbaren Informationen so unübersichtlich und groß, dass spezielle Schulungen zur Informationskompetenz zum Aufgabenprofil von Bibliotheken gehören.
Es gibt gegenwärtig unter Studenten und Wissenschaftlern eine große Unsicherheit, wie mit Informationen aus dem Internet umgegangen werden kann. Was darf verwendet werden? Wo liegen die Grauzonen? Hier können Bibliotheken helfen. Zu einer guten bibliothekarischen Lehrveranstaltung zur Informationskompetenz gehört nämlich nicht nur eine Anleitung, wie diese und jene Information gefunden werden kann, sondern auch der sorgfältige Umgang damit.