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Weiterbildungsformate
Bibliothekarische Kommunikation in Bewegung

BibCamp 2011
BibCamp 2011 | Foto (Ausschnitt): © Thomas Hapke

Spätestens seit 2010 existiert ein regelrechter Heißhunger nach neuen Formaten in der bibliothekarischen Weiterbildung und den Fachveranstaltungen allgemein. Gemeinschaftliche informelle Ideenproduktion quer über Dienstgrade und Institutionszugehörigkeiten hinweg wird heute dringender denn je benötigt. Im Web beginnen Blogs die Fachdiskussion zu beflügeln.

Die „bibliothekarische Unkonferenz“ BibCamp fand 2008 das erste Mal statt. Der Begriff Unkonferenz ist Programm: Auf den BibCamps gibt es keine Zuhörer, nur Teilnehmer. Zudem gibt es kein vorher festgesetztes Programm – nur eine bunte Mischung aus Bibliothekspraktikern, die aus ganz Deutschland (und immer häufiger aus anderen Ländern) anreisen, um sich über das auszutauschen, was für sie aktuell wichtig ist.

Zu Beginn des BibCamps kann jeder Themenvorschläge machen: Wenn sich ein paar Interessierte finden, dann wird eine Session daraus. Wie auf traditionellen Konferenzen finden meist zahlreiche große und kleine Sessions parallel zueinander statt. Was dabei herauskommt wird während oder nach den Sessions gebloggt, getwittert oder in einem gemeinsamen Wiki festgehalten.

Vom Geheimtipp zur anerkannten Weiterbildung

War das erste BibCamp 2008 in Berlin und Potsdam noch ein Geheimtipp, so gab es zum dritten deutschsprachigen BibCamp 2010 in Hannover bereits so viele Anmeldungen, dass die Organisatoren nach 150 Anmeldungen einen Schnitt machen mussten: Für mehr Personen hätte der Platz am Veranstaltungsort nicht gereicht. Gerade um offen zu bleiben für Teilnehmende, die noch in der Ausbildung sind, finden die BibCamps oft in den Räumlichkeiten von Fachhochschulen statt. Dadurch, aber auch durch Sponsoring und vor allem das Engagement Freiwilliger vor Ort, werden Tagungsgebühren vermieden. Die meisten, die ein BibCamp besuchen, sind beeindruckt und wollen wieder teilnehmen.

Beim vierten BibCamp 2011 in Hamburg hatte sich das Publikum nochmals spürbar verändert: Mit der Dominanz der jungen, technikaffinen Kolleginnen und Kollegen, die fast ausschließlich aus wissenschaftlichen Bibliotheken kamen, war es nun vorbei. Die meisten Teilnehmenden konnten mit dem Segen ihrer Bibliotheksleitung eine Dienstreise zu der Veranstaltung unternehmen, der Besuch wurde als Fortbildung anerkannt.

Wissensproduktion in neuen Formaten

Die Entwicklung der BibCamps hat die Macherinnen und Macher überrumpelt. Mit der betont lockeren, informellen Veranstaltungsform hatte man dem etablierten Weiterbildungsangebot der Berufsverbände, Hochschulen und Bibliotheksverbünde nie Konkurrenz machen wollen. Doch spätestens seit 2010 existiert ein regelrechter Heißhunger nach neuen Formaten in der bibliothekarischen Weiterbildung und den Fachveranstaltungen allgemein.

So veranstalteten die Virtuellen Fachbibliotheken (Vifa) 2011 ein VifaCamp, an der Humboldt-Universität Berlin wurde erfolgreich das erste „informationswissenschaftliche BarCamp“ FreiTag 2011 ausgerichtet, und die Informare mutierte 2011 in Teilen zum Informare!Camp, um nur drei auffällige aktuelle Anlehnungen zu nennen. Mittlerweile vergeht kein Bibliothekartag, auf dem nicht an hochfrequentierten Messeständen Computerspiele und E-Book-Lesegeräte gezeigt oder in rascher Abfolge Kurzvorträge in diskussionsfreudiger Stimmung durchgeführt und nachträglich auf YouTube veröffentlicht werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Zukunftswerkstatt e. V. als Initiator und Betreiber dieser Messestände hervorzuheben.

Das offizielle Bibliothekartagsprogramm bemüht sich nun aufzuholen: Von der erfolgreichen Inetbib-Konferenz 2010 an der ETH Zürich wurde das Konzept der sogenannten Lightning Talks übernommen, bei denen die Rednerinnen und Redner dazu angehalten werden, in nur fünf Minuten das zu sagen und zu zeigen, was wirklich wichtig ist. Das gemeinsame Diskutieren hat nach jedem dieser Vorträge angemessenen Raum – und bekommt manchmal einen Schwung, der an die lernfreundliche Atmosphäre einer BibCamp-Session erinnert.

Unordnung ins berufliche Lernen bringen

Was steckt hinter diesem Hunger? Vermutlich ist das vielleicht wichtigste Bildungserlebnis der begeisterten BibCamp-Teilnehmer die Erfahrung der Anarchie des Lernens selbst. Dass Lernen ohne vorgegebene Inhalte und Rollen funktioniert, dass die eigene Neugier der Antrieb sein kann und der Austausch unter engagierten Praktikern die Basis – das überrascht viele. Communities of practice, also gemeinschaftliche, informelle Ideenproduktion quer über Dienstgrade und Institutionszugehörigkeiten hinweg, sind in den bibliothekarischen Unternehmens- und Kommunikationskulturen über viele Jahre hinweg kaum gepflegt worden. Dabei werden sie dringend benötigt.

Die Halbwertzeit des in Berufsbildung und Studium gewonnenen Wissens hat sich drastisch verringert. Zugleich drängt eine Generation von Berufsanfängerinnen und -anfängern in die Informationsbranche, für die informelles Lernen, auch mit und von Neuen Technologien, die Regel ist. Zu dieser Offenheit gegenüber der Technik kommt, mindestens ebenso wichtig, eine selbstverständliche Gemeinschaftlichkeit des Lernens hinzu.

Weblogs öffnen den Raum

Dabei fällt auf, dass viele engagierte BibCamp-Teilnehmende auch Autorinnen und Autoren eigener Weblogs sind, die den schriftlichen Fachdiskurs beflügeln können, da sie ihn von überkommenen Abhängigkeiten des Print-Zeitalters wie Redaktions- und Geschäftspolitiken, Abogebühren und dergleichen befreien. Weblogs öffnen den Raum für rasch mitgeteilte Beobachtungen und direktes Feedback aus der Community, für die Entwicklung meinungsstarker individueller Stimmen und nicht zuletzt für praktische Erfahrungen und Experimente mit Webmedien, die für Information Professionals in vielfacher Hinsicht unverzichtbar geworden sind.

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