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Stadtbibliothek Bremen
Milieustudie präzisiert Kundenbild

Bibliotheksnutzer
Bibliotheksnutzer | Foto (Ausschnitt): © Joe Crawford/CC/flickr

Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg hat eine Milieustudie über die Kunden der Stadtbibliothek Bremen erarbeitet. Sie bietet eine valide Grundlage dafür, die Angebote der Bibliothek noch stärker an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten.

„Wir wollten unsere Kunden in ihren Bedürfnissen noch besser kennenlernen“, erklärt Barbara Lison, die Leiterin der Stadtbibliothek Bremen. Um diesem Ziel näherzukommen, ist das Bibliotheksteam in Bremen neue Wege gegangen – zusammen mit dem Department Information der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.

Im Wintersemester 2010/11 haben Studierende unter der Leitung der Professorinnen Ute Krauß-Leichert und Frauke Schade in einem Projekt untersucht, was sowohl potenzielle als auch faktische Kunden an Angeboten und Dienstleistungen von der Stadtbibliothek erwarten.

Zielgenaue Kundenorientierung

Das Prinzip der Kundenorientierung ist in den letzten Jahrzehnten in den deutschen Bibliotheken sehr stark in den Vordergrund gerückt. Und so entwickeln Bibliotheken immer neue Services, um den Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht zu werden. Doch: Oftmals fehlen gerade den öffentlichen Bibliotheken, die ja einen Bildungs-, Kultur- und Informationsauftrag für alle Bürgerinnen und Bürger haben, Informationen darüber, wie deren Bedürfnisse genau aussehen.

Beim Versuch, dieses Manko zu beseitigen, stoßen die Bibliotheken aus personellen wie finanziellen Gründen schnell an ihre Grenzen. Vielfach bleibt es dabei, Schlüsse aus den wenigen persönlichen Informationen zu ziehen, die die Nutzer beim Erwerb einer Bibliothekskarte hinterlassen: meist nur Geschlecht und Alter. Mehr Gewinn versprechen Kundenbefragungen; sie erreichen jedoch naturgemäß nur diejenigen, die die Bibliothek ohnehin schon nutzen.

Konservativ-etabliert oder hedonistisch?

„Die Stadtbibliothek Bremen hat uns damit beauftragt, die Milieustruktur in Bremen zu evaluieren. Es sollte dargestellt werden, welche Milieus die Bibliothek erreicht und welche nicht“, erläutert Frauke Schade. „Außerdem wollten wir zeigen, wie das Produkt- und Dienstleistungsportfolio der Bibliothek zielgruppenspezifisch profiliert werden kann.“

Das Projektteam der Hamburger Fachhochschule hat sich dabei des Modells der Sinus-Milieus bedient. Denn: „Die traditionellen soziodemografischen Merkmale oder die Einordnung in soziale Schichten sind heute nicht mehr ausreichend, um Bedarf und Interessen potenzieller Kunden von Öffentlichen Bibliotheken zu ermitteln. Milieustudien beschreiben die Gesellschaft nicht nur über soziodemografische und -ökonomische Variablen, sondern auch in ihren Einstellungen und Werthaltungen zu allen wichtigen Erlebnisbereichen wie Arbeit, Freizeit, Familie und Konsum.“

Im aktuellen Sinus-Modell wird die Gesellschaft in zehn Milieus differenziert – vom konservativ-etablierten über das adaptiv-pragmatische zum hedonistischen Milieu. Für die Studie haben die Wissenschaftlerinnen zunächst die Geo-Milieudaten vom Unternehmen microm erworben und diese im Zusammenhang mit Kundendaten der Bibliothek ausgewertet und interpretiert. Sie zeigen, welche Milieus es in den unterschiedlichen Stadtteilen Bremens tatsächlich gibt und wie sich die Milieustruktur der Bibliothekskunden darstellt. Zudem wurden sinusbasierte Sekundärstudien ausgewertet und die Milieus differenziert beschrieben.

Eine Bibliothek für alle

„Die Hypothese, dass die Bibliothek Menschen mit einer modernen Wertorientierung aus sozial gehobenen Milieus deutlich besser erreicht, auch deshalb, weil diese Milieus besonders medienaffin sind, lässt sich für die Stadtbibliothek Bremen insgesamt nicht bestätigen. Vielmehr stellt sich die Milieuverteilung der Bibliothekskunden relativ homogen dar“, fasst Frauke Schade die Studienergebnisse zusammen. Lediglich das Milieu der bürgerlichen Mitte werde im Vergleich deutlich schlechter erreicht.

Diese relativ homogene Verteilung stellt die Stadtbibliothek vor eine Herausforderung. „Sie kann einzelne Milieus als Zielgruppe eigentlich nicht ausschließen“, sagt die Professorin. 

Neue Sicht auf den Kunden

„Die Studie ist für uns nun die Grundlage für weitere strategische Entscheidungen. Wollen wir den bereits vorhandenen Kunden ein noch besseres Angebot machen? Wollen wir mit neuen Angeboten für neue Kunden attraktiv werden? Können wir beides finanziell unter einen Hut bringen? Das sind Fragen, die wir uns im Moment stellen“, sagt Barbara Lison. Umgesetzt werden diese Entscheidungen dann zum einen im Lektorat, das die Angebotssteuerung bei den Medien vornimmt, zum anderen im Marketing: „Denn: Nicht nur unsere Angebote müssen für die Milieus zugeschnitten werden, sondern auch die Vermarktung der Angebote.“

Das vielleicht wichtigste Ergebnis für die tägliche Arbeit sieht Barbara Lison allerdings heute schon in ihrem Haus. „Die Beschäftigung mit der Studie hat dazu geführt, dass sich bei vielen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Blick für den Kunden geändert hat. Sie sehen den Kunden jetzt weniger als Bibliothekskarteninhaber und noch mehr als Individuum, das einem bestimmten Milieu zuzuordnen ist. Die Menschen, die zu uns kommen, haben viele Facetten – und die sind nun präsenter geworden.“

Literatur
Krauß-Leichert, Ute / Schade, Frauke (Hg.): Den Kunden im Fokus. Eine Milieustudie zur Profilierung des Produkt- und Dienstleistungsportfolios der Stadtbibliothek Bremen. Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fakultät Design, Medien, Information, Department Information, 2011.

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