Open Access
„Ziel ist die komplette Transformation“

Die Publikationsgebühren steigen und die Umstellung wissenschaftlicher Beiträge auf Open Access kommt nur langsam voran. Warum sich Open Access dennoch lohnt, erläutert Angela Holzer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Frau Dr. Holzer, 2003 wurde die sogenannte Berliner Erklärung mit dem Ziel verabschiedet, Open Access zu fördern und damit wissenschaftliche Artikel frei zugänglich zu veröffentlichen. 2017, 14 Jahre später, werden erst etwa 20 Prozent der wissenschaftlichen Arbeiten Open Access publiziert. Warum hat die Umstellung bisher noch nicht funktioniert?
Das ist ein Prozess, der naturgemäß länger dauert. Die Transformation von der Handschrift zum gedruckten Buch oder vom gedruckten Buch zum elektronischen Dokument ist auch nicht von jetzt auf gleich passiert. Da gab es ebenfalls Zeiten der Überlagerung, bis sich eine Technologie oder ein Modus des Publizierens durchgesetzt hat.
GEFAHR NEUER MONOPOLE
Ein Argument für Open Access sind die teilweise sehr hohen Preissteigerungen beim Bezug wissenschaftlicher Zeitschriften. Auch diese frei zugänglichen Publikationen sind in Deutschland laut einer 2016 veröffentlichten Studie von Najko Jahn und Marco Tullney zwischen 2011 und 2015 um 14,5 Prozess teurer geworden. Ist Open Access wirklich die günstigere Alternative?Es muss nicht unbedingt der günstigere Weg sein, aber man sollte Kosten und Nutzen in Relation setzen. Die Vorteile, die elektronische Publikationen bieten, werden beim bisherigen Subskriptionsmodell beschränkt. Die Nachnutzung ist hier durch technische, rechtliche und finanzielle Hürden limitiert. Schon jetzt wird also für einen geringen Nutzen sehr viel Geld für den Zugang zu elektronischen Zeitschriften bezahlt. Dieses Geld würde ausreichen, um das ganze System so umzustellen, dass die Publikation von den Autoren vorab bezahlt wird und die Nutzung dann für alle möglich ist.
Die Wissenschaftsverlage haben Open Access längst als Geschäftsmodell erkannt. Die zehn größten Verlage teilen sich mittlerweile 92 Prozent des Marktes.
Ja, solche Tendenzen sind zu erkennen. Da finden Konzentrationen bei einigen Anbietern statt. Wenn die Angebote und Dienstleistungen gut sind und man angemessen dafür bezahlt, ist das auch grundsätzlich in Ordnung. Schwierig wird es, wenn neue Monopolstrukturen entstehen, die zu einer unangemessenen Erhöhung der Kosten für die öffentliche Hand führen.
Bibliotheken in der Verantwortung
Welche Rolle haben die wissenschaftlichen Bibliotheken bei der Umstellung auf Open Access?Die Bibliotheken haben eine ganz zentrale Rolle. Sie sind traditionell für die Finanzierung von Publikationen zuständig und können die Budgetverwaltung in ihrer Einrichtung in Richtung Open Access Publikation kanalisieren. Und sie haben eine entscheidende Bedeutung bei der Umschichtung der Mittel, die schon im System sind, weg von Subskriptionen, wo die Zeitschriften per Abonnement finanziert werden, und hin zur Finanzierung von Artikelgebühren. Es gibt natürlich die Möglichkeit, Open Access zu publizieren, ohne Artikelgebühren zu bezahlen. Auch da sind Bibliotheken stark involviert. Sie setzen Zeitschriften selbst auf oder bieten Plattformen an, auf denen Artikel veröffentlicht und archiviert werden können.
Wie verändert sich die Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Wissenschaft?
Ein großer Wunsch der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ist, dass die Bibliothek auch beratende Aufgaben übernimmt, etwa zur Frage, welche Lizenz für die jeweiligen Artikel geeignet ist, beispielsweise eine CC-Lizenz, die die Nachnutzung im Open Access regelt. Es gibt aber bereits ein großes Bewusstsein bei vielen Bibliotheken, dass sie eine neue Rolle als Dienstleister haben und diese mittlerweile auch wahrnehmen.
Umstellung etablierter Zeitschriften
Wo sehen Sie die größten Probleme bei der Umstellung?Ein Punkt, den wir immer wieder von den Wissenschaftlern hören, betrifft das Renommee: Die Aufwertung ihrer Karriereperspektiven ist stark geknüpft an die Publikation in etablierten Zeitschriften. Und von denen stehen viele nur teilweise Open Access zur Verfügung. Die Open Access Initiative 2020 versucht daher zu erreichen, dass auch diese etablierten Zeitschriften transformiert werden.
Halten Sie eine komplette Umstellung auf Open Access für realistisch oder werden die beiden Systeme zukünftig nebeneinander bestehen bleiben?
Das Ziel ist die komplette Transformation. Das ist auch im Sinne der Wissenschaft. Es ist sehr viel sinnvoller, wenn man gleiche Bedingungen für den Zugang zu unterschiedlichen Informationsquellen hat und die Nachnutzung ermöglicht ist. Die Phase, in der beide Systeme nebeneinander existieren, sollte relativ kurz sein.
Bis wann wird die vollständige Transformation erreicht sein?
Die Initiative Open Access 2020 hat die Zielvorstellung schon im Titel. Vielleicht wird es nicht ganz so schnell gehen. Es wird einiges davon abhängen, wie sich die Verhandlungen mit den Verlagen entwickeln. Es ist im Sinne der Wissenschaft, dass der Prozess schnell voranschreitet.
Dr. Angela Holzer, Referentin bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), ist unter anderem für die Förderprogramme Open Access Publizieren und Überregionale Lizenzierung zuständig. Sie ist zudem Co-Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Open Access in der Schwerpunktinitiative Digitale Information der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen.