Katharina Greve
Das Ende naht? Darauf einen Summerling!
Katharina Greve hat einen Comic über ambitionslose Wesen geschrieben, die gern in den Tag hinein leben. Als ihr Planet vom Untergang bedroht ist, sind sie erst panisch, dann planlos. Parallelen zum Verhalten der Menschen sind rein zufällig.
Von Holger Moos X!
Es klingt wie ein Paradies für Asketen: Die Plüm haben nicht viel, aber genug zum Leben. Sie leben auf dem Planeten Plümos und vermehren sich durch Teilung. Außerdem schlafen sie am tiefsten auf violetten Kissen. Warum das so ist, wurde nie geklärt.
Da ihnen auch die Vermehrung zu anstrengend ist, gibt es nicht mehr viele Plüm, genau genommen nur noch drei Exemplare, die Pla, Schte und Rüm heißen. Schte und Rüm sind ziemlich einfältig, sodass Pla als schlau gilt. Der Planet Plümo scheint geplündert und sieht aus wie eine Endzeitlandschaft. Es stehen nur noch vereinzelt verdorrte, blattlose Bäume herum. Die Plüm ernähren sich von der Frucht dieser Sum-Bäume sowie von Lübosen-Würmern. Katharina Greves Plüm-Comics erschienen zuerst 2016 als Serie in der Berliner Tageszeitung taz. Nun hat Greve sie zum Comic-Band Die letzten 23 Tage der Plüm ausgearbeitet. Wer denkt bei diesem Titel nicht an Karl Kraus' Tragödie Die letzten Tage der Menschheit?
Bedrohtes Endzeit-Idyll
Das karge, beschauliche Idyll der Plüm wird von einem pinken Punkt am Himmel bedroht, der immer näher kommt und größer wird. Das erinnert natürlich an Lars von Triers düsteren Endzeit-Film Melancholia, ist aber wesentlich witziger.Was also tun, wenn die Welt untergeht? Die ersten beiden Plüm-Regeln für ausweglose Situationen – in Panik verfallen und so viel Summerling, ein Rauschgetränk, trinken wie möglich – sind nicht hilfreich. Also schmieden die drei Plüm einen Plan nach dem anderen. Nun ja, Plan ist angesichts der aufgrund ihrer (Denk)Faulheit und Vergesslichkeit verkümmerten Intelligenz vielleicht ein etwas großes Wort.
Die Plüm wollen sich diese Bedrohung schönreden, dann versuchen sie mit dem pinken Punkt zu kommunizieren, die Zeit auszutricksen oder den pinken Punkt durch ein Menschen-, äh, Plümopfer zu beschwichtigen. So wechseln sich in 23 Kapiteln Lethargie und Aktionismus ab. Immer wieder ist der Griff zur Summerling-Flasche die letzte Lösung. Nach dem Scheitern aller Pläne fliehen die Plüm in Verdrängung und Ignoranz. Sie nehmen sich einfach vor, im Angesicht des nahenden Todes Dinge zu tun, die sie bislang nie taten.
Und wenn sie nicht gestorben sind…
Katarina Greve bekam 2016 für ihr Gesellschaftstableau Das Hochhaus den begehrten Max-und-Moritz-Preis. In Die dicke Prinzessin Petronia (2019) hat sie eine griesgrämige Cousine von Saint-Exupérys Kleinem Prinzen geschaffen und ihr großes Talent bestätigt. Greve arbeitet auch in ihrem neuen Comic mit reduzierten Mitteln. Ihre Plüm sind Kopffüßler, sie zeichnet auch sonst nicht mehr als nötig, erreicht damit aber, in Verbindung mit ihrem schwarzen Humor und einer gehörigen Portion Absurdität, sehr viel.Im Nachwort schreibt Greve, sie wollte die Plüm ursprünglich sterben lassen. Ein Weltuntergang wäre ihrem Verhalten durchaus angemessen gewesen. Doch am Ende des Comics gilt der gute alte Konditionalsatz, mit dem viele Märchen enden: Und wenn die Plüm nicht gestorben sind, so leben sie vielleicht noch heute. Sicher ist das allerdings nicht, wenn man sich die letzte Seite genau betrachtet.
Berlin: avant-verlag, 2020. 104 S.
ISBN: 978-3-96445-039-5