Im Laufe des Reformationsjahres 2017 kommen in dem Dossier „Gegenwarten Reformieren“ Trendsetter und Vordenker mit ihren persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen von Wandel und Innovation zu Wort. Wo liegen Potenziale und Notwendigkeiten für gegenwärtige und zukunftsorientierte „Reformationen“?
These zur Reform der Kunst
Die Zeit ist reif für eine Reform der Kunst. Unter Kunst verstehe ich all diejenigen Formen ästhetischen Ausdrucks, die die Menschheit hervorbringt, um ihre Existenz zu verschönern, nach deren tieferem Sinn zu forschen und zu einem Verständnis des Daseins zu gelangen, welches über die Wissenschaft, die Religion, die Gesetze und die Philosophie hinausreicht. Musik, Malerei, Romane, Erzählungen und Gedichte, Performances, Graffiti und Body-Art, Tanz und Ballett eröffnen uns die Möglichkeit, über die unzähligen Facetten des komplexen, schwer ergründbaren menschlichen Wesens zu reflektieren. „Hätte die Welt einen Sinn, so würde ich nicht schreiben“, hat Jean Cocteau einmal gesagt. Kunst zu schaffen bedeutet demnach, über den Sinn der Welt nachzudenken.
Gut – werden Sie mich fragen – aber was gibt es dann zu reformieren?
Den Wert, den wir der Kunst beimessen – lautet meine Antwort. Die Bedeutung einzelner künstlerischer Ausdrucksformen wird heutzutage ausschließlich über wirtschaftliche Kriterien definiert: Die gesendete Musik wird pro Minute abgerechnet, jeder Maler hat seine Quotierung, der Ruf eines Schauspielers hängt von seiner Gage ab, ein Roman zählt nur dann, wenn er in den Bestsellerlisten erscheint und so den Verleger zufriedenstellt, Filme müssen zu Kassenschlagern werden, um immense Produktionskosten zu decken.
Na und – werden Sie entgegnen – der Markt existierte schon immer.
Es stimmt, dass bereits die Künstler der Renaissance Auftragswerke erschufen. Allerdings hing ihr Ansehen nicht ausschließlich vom Gehalt ab. Wie es heißt, ist Mozart verarmt gestorben, und dennoch würde niemand wagen, ihn deshalb als mittelmäßiges Talent zu bezeichnen. Der Ansatz zur notwendigen Reform der Kunst sollte somit darin bestehen, diese nicht ausschließlich nach ihrem Preis zu werten, sondern vielmehr als Versuch, mittels Ausdrucksformen reiner Ästhetik zum tieferen Verständnis der menschlichen Existenz vorzudringen.
Biographie
Paolo Restuccia ist ein italienischer Schriftsteller. Als Regisseur, Autor und Moderator hat er erfolgreiche Radiosendungen der italienischen Rai gestaltet. 1988 hat er die Schriftstellerschule Omero in Rom gegründet, die damals erste in Italien.