Im Laufe des Reformationsjahres 2017 kommen in dem Dossier „Gegenwarten Reformieren“ Trendsetter und Vordenker mit ihren persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen von Wandel und Innovation zu Wort. Wo liegen Potenziale und Notwendigkeiten für gegenwärtige und zukunftsorientierte „Reformationen“?
Einblicke in wesentliche und notwendige Veränderungen auf eigenem Feld: Die Politikwissenschaft muss lernen die Globalisierung zu lenken!
Die größte Herausforderung, der sich Politikwissenschaftler zu stellen haben,
ist die Beherrschung der Globalisierung und das Ausarbeiten einer globalen Lenkungspolitik. Seit einigen Jahrzehnten schon expandiert die Welt in den Sektoren der Kommunikation und des Handels, im Grunde in der Gesamtheit der gesellschaftlichen Beziehungen. Mit einer Ausnahme: der Politik. Sämtliche Bereiche der menschlichen Beziehungen bewegen sich in Richtung einer „Weltgesellschaft“, nichtsdestotrotz klammern wir uns weiterhin an „lokale“ politische Organisationssysteme. Der Staat ist immer noch diejenige politische Instanz,
die eine solche Bezeichnung verdient.
So bleiben die wachsenden wechselseitigen Abhängigkeiten und die aus dem neuen globalen Zusammenleben resultierenden Probleme ohne eine angemessene Antwort von Seiten der Politik. Man ist bei der Bildung von supranationalen Strukturen wie der EU oder bei der Förderung von Mechanismen der Zusammenarbeit innerhalb von internationalen Organisationen, Abkommen oder Verträgen weit vorangekommen. Allerdings sind diese stets der Unterstützung oder dem Veto von Seiten der „großen Mächte“ unterworfen.
Wie am Fehlen von Regulierungsmechanismen für Finanzmärkte zu erkennen, ergibt sich daraus auch eine Schutzlosigkeit für die Weltbevölkerung angesichts neuer Bedrohungen wie des Klimawandels, der Umweltverschmutzung, massenhafter Migrationsströme, der Armut, der Verknappung von Wasserressourcen etc. Wie es in einer bestimmten Epoche innerhalb der Nationalstaaten geschah, werden solche Probleme gegenwärtig nur mit Hilfe von Mechanismen einer globalen Lenkung, die diesen Namen verdient, eine Lösung finden. Die Zukunft der Menschheit hängt davon ab,
ob wir diese Mechanismen finden.
BiographIE
Fernando Vallespín (geb. 1954) ist Politologe und Professor für Politikwissenschaft an der Universität Autónoma in Madrid. Als Gast unterrichtete er u. a. an den Universitäten Harvard, Frankfurt und Heidelberg sowie in Veracruz und Malaysia. Bis 2008 war er Präsident des Consejo de Investigaciones Sociológicas. Fernando Vallespín ist Mitglied des Beratungskomitees des Think Tanks FRIDE sowie seit Juli 2011 Akademischer Direktor des akademischen Forschungsinstituts
Ortega y Gasset.