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Die Klimakrise
„Wir müssen die Welt dekolonisieren und radikal verändern!“

Demonstration gegen die Klimakrise
Demonstration gegen die Klimakrise | Foto (Ausschnitt): © Rajan Zaveri

Die Klimakrise ist das jüngste Kapitel einer Geschichte, die sich seit den Anfängen von Kolonialismus, Imperialismus und Extraktivismus entfaltet. Indigene Gemeinschaften schützen die wichtigsten Biosysteme und Kohlenstoffsenken der Erde, indem sie in Beziehung zu diesen Ökosystemen leben. Nun sehen sie sich zunehmend von Gewalt bedroht. Suzanne Dhaliwal berichtet über ihre Arbeit für Klimagerechtigkeit.

Von Suzanne Dhaliwal X!

Die Klimakrise ist das jüngste Kapitel einer Geschichte, die sich seit den Anfängen von Kolonialismus, Imperialismus und Extraktivismus entfaltet. Die wichtigsten Biosysteme und Kohlenstoffsenken der Erde, wie der Amazonas und die Taiga, sind seit jeher die Heimat Indigener Gemeinschaften. Dank dieser Beziehung und Verwahrung konnten diese lebenswichtigen Ökosysteme mit ihren unzähligen Arten gemeinsam mit den Gemeinschaften gedeihen, die nun beim Versuch, diese Ökosysteme zu schützen, mit zunehmender Gewalt konfrontiert sind. Die Ökosysteme befinden sich seit Jahrhunderten im Wandel, doch die Veränderungen, die seit dem Kolonialismus stattgefunden haben, richten nicht nur in diesen Ökosystemen verheerende Verwüstungen an, sondern stürzen das Gleichgewicht des gesamten Planeten in ein unumkehrbares Chaos.

Mit meiner Arbeit für Klimagerechtigkeit setze ich an der Schnittstelle zwischen psychischer Gesundheit, Indigenen Rechten und Extraktivismus an. Ich wurde Zeugin der Auswirkungen, die der Bergbau auf Indigene Gemeinschaften, aber auch auf die wichtigsten Ökosysteme hat, die unser Klima im Gleichgewicht halten. In den letzten zwei Jahrzehnten habe ich daran gearbeitet, die Verbindung zwischen der Klimakrise, der Zerstörung der Biosysteme und der Gewalt des Extraktivismus herzustellen. In diesem Rahmen habe ich eng mit den Indigenen Gemeinschaften zusammengearbeitet, die sich an vorderster Front gegen einige der verheerendsten Abbaupraktiken der Welt wehren, wie in den Alberta Tar Sands in Kanada, in der Arktis und im Nigerdelta. Innerhalb einer Generation mussten die Gemeinschaften hier miterleben, wie die Ökosysteme und Gewässer, die seit Jahrhunderten ihre Lebensgrundlage bilden, in Ödland verwandelt wurden; in Orte, an denen der Ökozid nicht mehr umkehrbar ist. Dieser Abbau geht auf Kosten der Hoheitsrechte Indigener Bevölkerungen, die eigentlich in der UN-Deklaration der Rechte Indigener Gemeinschaften sowie in den zahlreichen Verträgen und Rechtsansprüchen zwischen Staaten und traditionellen Gemeinschaften verankert sind. 

Schutz der Indigenen Lebensräume

Die Indigenen Bevölkerungen haben die rasche Verwüstung ihrer Heimat und der wertvollen Herzstücke des Planeten durch Extraktivismus, Abholzung und illegale Landnahme miterlebt. Um sich dagegen zu wehren und ihre Heimat, ihre Kulturen und das Gleichgewicht des Planeten zu schützen, haben diese Gemeinschaften ihre Geschichte auf vielerlei Weise erzählt und vieles versucht, um Rechenschaft für den Schutz ihrer Heimat, ihrer Lebensgrundlage, ihrer traditionellen Nahrungsmittel und Kulturen sowie der Ökosysteme, die die Lebensgrundlage des Planeten darstellen, einzufordern.

Als Reaktion auf die lokale Zerstörung von Ökosystemen, die Verschmutzung von Gewässern und illegale Vorhaben, die auf Indigenem Land durchgeführt werden, versuchen die Gemeinschaften, die internationale Öffentlichkeit auf die Situation aufmerksam zu machen. Oft arbeiten die Mitgliedstaaten, in denen Indigene Bevölkerungen leben, mit der Rohstoffwirtschaft, den Konzernen und Banken, die die illegalen und lebensbedrohlichen Projekte vorantreiben, Hand in Hand. Daher sind internationale Solidarität und weltweite Aufmerksamkeit für ihre Lage von entscheidender Bedeutung, um Druck auf die Regierungen auszuüben und die Verletzung der Rechte der Indigenen Bevölkerung offenzulegen.

Bei den Klimaverhandlungen in Glasgow im November 2021 haben wir gesehen, dass die UNO die zentrale Rolle der Indigenen Bevölkerungen beim Schutz der wichtigsten Ökosysteme und im Kampf gegen die Verbrennung fossiler Brennstoffe zwar anerkennt, sie aber nicht in den Mittelpunkt des Prozesses stellt, mit dem die Ziele des Klimaabkommens erreicht werden sollen. Wir müssen unsere Kenntnisse über das Klima weiter vertiefen und die Ursachen der Klimakrise verstehen, um sicherzustellen, dass wir uns auf den Schutz der Ökosysteme und die Rechte der Indigenen Bevölkerung konzentrieren und das unregulierte Geflecht von Unternehmens- und Finanzinteressen nachverfolgen, das uns weiter in die Klimakrise treibt.

Die Realität der Klimakrise annehmen

Klimakompetenz und das Wissen um die tieferen Ursachen der Klimakrise verlangen von uns, dass wir uns tiefgreifender damit beschäftigen, als es aktuell Medien mit ihren reißerischen und oberflächlichen Beiträgen zeigen. Obwohl wir den Menschen das Gefühl geben wollen, dass sie aktiv werden und etwas bewirken können, und ihnen persönliche Handlungsmöglichkeiten aufzeigen wollen, werden wir uns selbst ins Abseits stellen, wenn wir nicht über einen fundierten Journalismus und Darstellungsweisen verfügen, die unsere aktuelle Krise mit diesen Bewegungen und Kämpfen um Land und Hoheitsrechte verbinden. Das Gleiche gilt für den Aktivismus: Proteste und Massenmobilisierungen spielen zwar eine wichtige Rolle, aber ohne nachhaltige Bewegungen, die sich auf lang anhaltenden Widerstand und Zusammenhänge konzentrieren, laufen wir Gefahr, vor den Massenmedien herumzugestikulieren und auf Social-Media-Plattformen aufzutreten, ohne dass unser Handeln im Grund und Boden und in den Kämpfen um diesen Grund und Boden wurzelt.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir über die Realität der Krise informieren. Gleichzeitig dürfen wir uns nicht von überlauten Alarmglocken davon abhalten lassen, über unsere Aktivismuskulturen und die von uns angewandten Methoden nachzudenken und sie zu hinterfragen. Wir müssen auch zur Selbstreflexion hinsichtlich der Frage fähig sein, wie unsere Bewegungen die Machtgefälle in der Welt vielleicht reproduzieren. Es muss weitreichende Lösungen und Mittel der Rechenschaftspflicht geben, sodass Ressourcen neu verteilt werden und sichergestellt ist, dass wir diejenigen in den Mittelpunkt stellen, die in der Krise an vorderster Front stehen. Daran mangelt es den Klimabewegungen leider bisher, und das war der Grund, warum ich die Philosophie, Kunst und Soziale Plastik in den Mittelpunkt meines Aktivismus gestellt habe, um Selbstreflexion, das Hinterfragen der Formen und gründliches Nachdenken über unsere Bewegungen in den Raum zu stellen.

Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die Menschen richten, die Extraktivismus, Landraub und koloniale Gewalt erlebt haben, erkennen wir, dass viele der von uns befürchteten Zukunftsszenarien für viele Menschen bereits Realität sind. Wir sehen Orte des Ökozids, wobei diejenigen, die von massiven Klimakatastrophen betroffen sind, auch einige der schlimmsten Ausbrüche der COVID-19-Pandemie zu bewältigen hatten. Hier hat sich die Notwendigkeit gezeigt, gleichzeitig schnell eingreiffähige Netze für gegenseitige Hilfe und humanitäre Hilfsaktionen gegen die Auswirkungen von Superzyklonen zu entwickeln. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass unser Mitgefühl und unsere Empathie diejenigen erreichen, die bereits betroffen sind, und das bedeutet, dass wir Medienkapazitäten und Kommunikation in einem globaleren Maßstab für das Klima benötigen. Das sind die Voraussetzungen für eine kommunikative, mediengestützte und kreative Reaktion auf die Klimakrise, die aus einer humanitären Reaktion heraus entwickelt und mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden muss.

Entkolonisierung des Denkens

In den letzten Jahren seit dem Ausbruch der Pandemie habe ich erkannt, welch dringender Bedarf an kreativer, einfühlsamer und innovativer Kommunikation besteht. Eine Kommunikation, die nicht von den aktuellen Medienmaßstäben diktiert wird, die hauptsächlich Promi-Aktivismus, Öko-Influencer und westliche Lösungen und Auswirkungen in den Fokus nehmen. Wir brauchen vielmehr eine entkolonialisierte Antwort. Die Gemeinschaften sind für gegenseitige Hilfe und den Austausch von Informationen über die Krise auf die Nutzung der sozialen Medien angewiesen. Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Menschen nicht nur Zugang zu diesen Informationen haben, sondern auch in der Lage sind, diese Botschaften zu produzieren.

Angesichts der Konvention zum Klimawandel-Abkommen von Glasgow im November 2021 ist eine hohe Wachsamkeit gefragt. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Hauptursache für die Klimakrise die fortgesetzte Förderung fossiler Brennstoffe ist. Das Klimaabkommen enthält jedoch keine Mechanismen zum Schutz von Gebieten vor unreguliertem Abbau und zum Schutz vor der Verletzung Indigener Rechte.

Wir müssen daran denken, dass wir eine Vielzahl verschiedener, ja ein ganzes Ökosystem von Strategien brauchen, um die Klimakrise zu bewältigen, und können dabei nicht alles auf eine Karte setzen. Wir müssen an der Seite derjenigen bleiben, die uns auf die Veränderungen und Verwüstungen des Landes, die uns in die Krise geführt haben, aufmerksam machen. Wir können die Klimakrise nicht mit der Mentalität beheben, die sie verursacht hat. Deshalb müssen wir uns alle dieser Umpolung der Entkolonisierung unterziehen, um sicherzustellen, dass wir das Land schützen. Wir müssen uns selbst herausfordern, die Grundursachen der Krise besser zu verstehen und uns zu der tiefgreifenden Transformation zu verpflichten, die nötig ist, um koloniale Gewalt wieder gut zu machen und uns auf einen Kurs zu bringen, der unserer globalen Gemeinschaft, dem Klima und dem Planeten Heilung bringt.

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