Elektroakustische Kunstmusik in Deutschland
Brückenschlag zum Techno
Unter dem Einfluss von Techno und „Intelligent Dance Music" konnte sich im Deutschland der 1990er-Jahre eine experimentell arbeitende Szene herausbilden, bei der oft Einflüsse aus der bildenden Kunst und der Popkultur zum Tragen kommen und die Grenzen zwischen E- und U-Musik aufgehoben werden.
Carsten Nicolais audiovisuelle Arbeiten mit kaltem, klinischem Design historisieren die ästhetisch-naturwissenschaftliche Kategorie des Experiments, zum Teil in Anlehnung an den kroatischen Physiker Nikola Tesla (1856–1943).Ekkehard Ehlers hat mit seiner Reihe Ehlers plays... (2001–2002) Stil, Sound und Techniken von so unterschiedlichen Künstlern wie Cornelius Cardew, John Cassavetes, Hubert Fichte und Albert Ayler als kosmisches Geräusch synthetisiert. Oval (alias Marcus Popp) wiederum kultiviert einen Sound, der wesentlich auf dem Skip-Geräusch springender Samples beruht und der seine Kreativität auf die Software und nicht auf das tatsächlich wirksam werdende Klangbild richtet. In Köln greifen Musiker wie Marcus Schmickler (alias Pluramon) und Thomas Lehn Klangvorstellungen der 1950er- und 1960er-Jahre auf, um sie im Kontext der freien Improvisation und des Minimal Techno neu zu verorten. Der Laptopmusiker Florian Hecker nutzt neue Synthese- und Modulationsverfahren für ebenso brachial wie auratisch wirkende Noise-Kompositionen.
Klangkünstler
In Frankfurt widmet sich der Konzeptkünstler Zeitblom elektroakustischen Szenarien, darunter seine Sophisticated Soirée, deren Besucher verkabelt werden und per Herzschlag aktiv an der Klanggestaltung mitwirken. Das Genre der Klangkunst, das mit Installationen von Max Neuhaus und Maryanne Amacher in den USA der 1960er-Jahre erstmals greifbar wird, hat sich seither zusehends ausdifferenziert. Heute gehören dazu dokumentarische, ortsbezogene Arbeiten von Christina Kubisch, ästhetisierte Oberflächen von Hans Peter Kuhn, die Klangentstehung exponierenden Mechaniken von Andreas Oldörp, die wahrnehmungsirritierenden Situationen von Tilman Künzel, den Klang zur Beiläufigkeit erhebende Skulpturen von Robert Jacobsen, interaktive Spielsituationen von Daniel Teige und Martin Rumori sowie die Rausch-Studien des in Berlin arbeitenden Österreichers Peter Ablinger.Einen Sonderweg verfolgt die in Osnabrück geborene Hildegard Westerkamp, die seit 1968 in Kanada lebt und dort R. Murray Schaeffers Idee der „Klangökologie" fortführt, indem sie flüchtige Klangqualitäten isoliert und im akustischen Biotop der Klangkunst kontextualisiert. 2003 verwendete Gus Van Sant ihr Beneath The Forest Floor für den Soundtrack seines Filmes Elephant.