Bücherbus in Brandenburg
„Wir fahren dem Bus sogar hinterher“

Für Sandra Stephan hat der Bücherbus Zukunft.
Für Sandra Stephan hat der Bücherbus Zukunft. | Foto (Ausschnitt): © Sandra Stephan

Sandra Stephan lebt mit ihrer Familie in einem Dorf in Brandenburg. Natur pur, nur die nächste Bibliothek ist weit weg. Deshalb sind die Tage, an denen der Bücherbus in den Ort kommt, im Kalender rot angestrichen.

Ich war schon immer eine Leseratte. Als junges Mädchen hat man mir so manches Mal Taschenlampe und Buch weggenommen, weil ich unter der Bettdecke gelesen habe. Bei meinem ältesten Sohn ist das genauso. Der Vierzehnjährige ist ein wahrer Hörbuchfan, der Jüngste lernt gerade lesen und ist dabei, sich die Bücher zu erschließen.

Die Fahrbibliothek ist für uns alle wichtig, denn unsere Familie lebt in einem Dörfchen im Brandenburgischen Landkreis Elbe-Elster. Klingmühl hat 120 Einwohner. Wir fühlen uns hier sehr wohl, das reinste Paradies, Wald, Wiesen, Felder und eine nette Dorfgemeinschaft – aber natürlich keine Bücherei.

Wir haben zwar Bibliotheken in den größeren Orten, aber die Fahrt dahin ist eine Zeitfrage. 2005 habe ich als Vorlesepatin im Kreismedienzentrum im 50 Kilometer entfernten Herzberg angefangen. Dort habe ich von der Fahrbibliothek erfahren und sie zu uns nach Klingmühl organisiert. Jetzt hält der Bücherbus alle drei Wochen auf dem Dorfplatz. Die Fahrbibliothek wird rege von vielen hier genutzt, sie ist eine feste Größe. Wir haben im Kalender eingetragen, wann der Bus kommt: Das ist dann immer der Bibliothekstag.

Der Bücherbus kommt alle drei Wochen. Der Bücherbus kommt alle drei Wochen. | Foto (Ausschnitt): © Sandra Stephan Im Sommer warten die Kinder schon darauf, dass der Bücherbus kommt, er ist Mittelpunkt des Dorfes. Der Bus fällt schon von außen auf, er ist groß, blau und bunt bemalt. Ich finde es gemütlich, dass er innen mit Teppichen ausgelegt ist. Wenn man reinkommt, fühlt man sich wie in einem Wohnzimmer. Als erstes geht es zur Fahrerseite, weil da die beiden Damen sitzen, bei denen wir die Bücher abgeben. Danach suchen wir uns Medien aus, die wir ausleihen möchten.

Buchrückgabe bei den „Bücherdamen“ Buchrückgabe bei den „Bücherdamen“ | Foto (Ausschnitt): © Sandra Stephan Der Innenraum ist nicht sehr groß, aber alles ist gut verteilt: Es gibt ein Extraregal für Kinder, eines für Jugendliche, Regale für Sachliteratur und für Belletristik. Genau wie in einer herkömmlichen Bibliothek ist das wunderbar organisiert. Natürlich hat der Bücherbus auch Spiele, DVDs und CDs im Angebot. Ganz hinten sind Sitzwürfel, da gucken sich die Kleineren oft gleich ein Buch an. Ich leihe mir ganz unterschiedliche Bücher aus. Oft schaue ich erstmal, was es gibt. Und daraus wähle ich aus. Im Moment lese ich eher Gesellschaftsromane und Romane mit historischem Hintergrund.

Für jeden etwas dabei: Kinderbücher für die Kleinen. Für jeden etwas dabei: Kinderbücher für die Kleinen. | Foto (Ausschnitt): © Sandra Stephan Manchmal bestellen wir Bücher vor, denn die Fahrbibliothek kann natürlich nicht sämtliche Medien aus dem Bestand dabei haben. Aber sie hat die Kontakte und die Kooperationsmöglichkeiten, um alles zu beschaffen.
Der Bücherbus startet im Kreismedienzentrum Herzberg und hält an jeder Station, je nach Ort, zwanzig oder dreißig Minuten. Den Fahrplan hält er streng ein, denn schließlich wird er immer schon im nächsten Dorf erwartet. Nach Klingmühl kommt er am späten Nachmittag, im Nachbardorf Sallgast steht er Mittags direkt vor der Grundschule.

Keine Verspätung: Der Bus hält sich strikt an den Fahrplan. Keine Verspätung: Der Bus hält sich strikt an den Fahrplan. | Foto (Ausschnitt): © Sandra Stephan Wir sind dem Bus auch schon ins nächste oder übernächste Dorf hinterhergefahren, weil wir ihn verpasst haben. Man weiß ja, wo die folgenden Stationen sind, und er ist bis Abends unterwegs.
Natürlich könnte ich auch die Onleihe der Fahrbibliothek nutzen und mir digitale Medien ausleihen. Aber ich will die Bücher anfassen, ich blättere gerne darin, und schon der Einband des Buches ist für mich oft das erste Kapitel. Für mich werden gedruckte Bücher immer bedeutend und wichtig sein, und ich versuche das auch der nächsten Generation zu vermitteln. Wenn ich im Vorleseclub der Sallgaster Grundschule den Kindern schicke Bücher mitbringe, dann sind die davon sehr begeistert.

Sitzwürfel im Bus: Kinder gucken sich gerne vor Ort ein Buch an. Sitzwürfel im Bus: Kinder gucken sich gerne vor Ort ein Buch an. | Foto (Ausschnitt): © Sandra Stephan Aus meiner Sicht hat der Bücherbus immer Zukunft. Gerade auf dem Land würden viele Leute sonst gar keine Bibliothek besuchen, weil die Wege einfach zu weit sind. Kindern bliebe der Weg zur Bibliothek als Einrichtung vielleicht von Anfang an verschlossen. Der Bücherbus ist erreichbar für alle, die ihn nutzen wollen. Ich hoffe nur, dass Fahrbibliotheken weiterhin entsprechende finanzielle Unterstützung erhalten und übers Land fahren können.

Die Kreisfahrbibliothek im Landkreis Elbe-Elster in Brandenburg versorgt mit zwei Bücherbussen 145 Orte im dreiwöchigen Rhythmus nach einem festen Tourenplan. Jährlich nutzen etwa 21.000 Besucher die Fahrbibliothek, 80.000 Medien werden entliehen. Neben physischen Medien können die Kunden der Fahrbibliothek auch das digitale Angebot nutzen.
 

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