Neue Kreativstandorte
Krematorien, Kirchenkomplexe und andere Kulissen

Galerie Patrick Ebensperger im ehemaligen Krematorium, im Berliner Stadtteil Wedding | Foto: Galerie Patrick Ebensperger
Der klassische White Cube, der in Galerien den möglichst unverstellten Blick auf die gezeigte Kunst erlaubt, ist in Berlin schon immer gerne um Orte mit historischer Patina ergänzt worden. Zu interessant ist die Geschichte der Stadt, zu viele Chancen auf spektakuläre Kunstpräsentationen bieten sich in den mit dieser Historie verbundenen Gebäuden.
In letzter Zeit sind zu den pittoresk vor sich hinbröckelnden Industrieruinen und sozialistischen Verwaltungskomplexen weitere, zum Teil sogar sakrale Orte dazugekommen.
Kunst im Krematorium
Im Berliner Stadtteil Wedding, der gerade von der kreativen Szene entdeckt und mit verschiedenen neuen Projekten bespielt wird, befindet sich ein ehemaliges Krematorium. In der bis jetzt vom Kunstbetrieb noch eher unberührten Gegend hat Galerist Patrick Ebensperger, dessen Galerie zuvor in Mitte beheimatet war, Mitte 2013 eine ehemalige Aussegnungshalle und einige daran anschließende Räume bezogen. Das Krematorium gehört zu einem größeren Komplex eines Friedhofsareals aus den 1930er-Jahren, aus dem sich jetzt nach und nach ein Kunstcampus mit Ateliers und Büros für Kulturschaffende entwickelt. Ebensperger war der Erste, der dort einzog. Er hat mit der ehemaligen Aussegnungshalle, deren gothisch anmutende Spitzbögen nach aufwendiger Renovierung in reinstem Weiß erstrahlen, einen besonders gut geeigneen Ausstellungshintergrund für seine Klienten wie den Videokünstler Bjørn Melhus oder den Maschinenkünstler David Moises gefunden.Vorsicht bei zu spektakulären Räumen
Galerist Ebensperger ist es allerdings wichtig, dass die Räume tatsächlich nur der Hintergrund für seine Künstler sind und nicht die Hauptattraktion: „Es hat überhaupt keinen Sinn, sich nur auf einen spektakulären Ort zu verlassen. Den haben bei der Eröffnung alle gesehen und das verpufft dann sofort wieder. Die Kunst darin muss für sich stehen, sie sollte es im besten Fall sein, die die Leute in die Galerie bringt.“ Allerdings habe so ein Raum schon Auswirkungen, „nicht auf die Auswahl der Künstler, die stehen bei mir ja fest, aber auf die Auswahl der Arbeiten, die ich zusammen mit diesen Künstlern für die Räume treffe“.Noch einen Schritt weiter geht die Kuratorin Bettina Springer, die in Berlin-Mitte für ihren neuen Projektraum Between you and me Künstler wie Tilman Wendland oder Anna Talens gleich bittet, etwas für diesen speziellen Ort anzufertigen oder mit diesem Raum zu spielen. In dem großen Erdgeschoss ist einiges zu entdecken: Das Gebäude von 1870 liegt direkt am an der Spree im Herzen Berlins und scheint in dieser Gegend mit seinem verwitterten Ballhaus-Charme, seinen verschnörkelten Eisengitter-Balkonen und Treppenaufgängen komplett aus der Zeit gefallen zu sein.