Katrin Hartmann
Ottmesphärisch: Zwei deutsche Brüder helfen den Azkals zum Fußballwunder

Fußball auf den Philippinen? Im Inselstaat wächst die Aufmerksamkeit für die heimische Fußballnationalmannschaft – die Azkals. Vor ein paar Jahren hat sich das Land Verstärkung aus Europa geholt. Mit deutsch-philippinischen Spielern will das Urlaubsparadies bei den Südostasienmeisterschaften (AFF Suzuki Cup) den Titel holen.
Von Katrin Hartmann X!
Bacolod – Auf dem Weg zum Stadion wiegt sich ein Zuckerrohr an das nächste. Wo ein Feld endet und ein neues anfängt, ist nicht erkennbar. Die Flächen verschwimmen zu einem riesigen Pflanzenmeer. „Bacolod is Sugarcane-Country“, sagt der Taxifahrer und lächelt in den Rückspiegel. Von der zentralphilippinischen Stadt wird Zuckerrohr in die Welt exportiert. Zwischen den zwei Meter hohen Pflanzen erscheint plötzlich ein kleiner Bolzplatz. Der Rasen saftig grün wie frisch gebadeter Schnittlauch. Darauf weiß gestrichene Hölzer, die sich als klapprig zusammengebaute Tore gegenüber stehen. „For the children – für die Kinder“, sagt der Taxifahrer.
Es gab nichts anderes als den Dorfverein
Ihr alter Bolzplatz, daran erinnern sich Manuel und Mike Ott zuerst, wenn sie an ihre Kindheit im bayerischen Pfaffenhofen denken. „Wir sind neben dem Platz groß geworden. Er war praktisch nur über die Straße. Für uns gab es nichts anderes als den Dorfverein“, sagen sie. Manuel und Mike Ott sind Söhne einer philippinischen Mutter und eines deutschen Vaters. Ein Mix – nicht untypisch für die junge Generation auf den Philippinen. Als Deutsch-Philippiner besitzen sie die doppelte Staatsbürgerschaft. Dass sie Brüder sind, ist unverkennbar: ihre Gesichtszüge ähneln sich, beide tragen Bart, ihre Augen haben die gleiche dunkle Farbe. Ein weiterer Bruder, Marco, der Zwillingsbruder von Mike, lebt noch immer in Bayern.Vor vier Jahren hat der 26-jährige Manuel Ott als erster der Brüder seine bayerische Heimat verlassen, die Kleinstadt, den Dorfverein, die Sportschule, die Mannschaft beim FC Ingolstadt 04. Sein 23-jähriger Bruder Mike folgte drei Jahre später. Ihr Ziel? Die Heimat der Mutter. Berührungspunkte mit den Philippinen hatten sie schon vorher. „Wir sind fast jedes Jahr hierher in den Urlaub geflogen“, sagt Manuel Ott. „Unsere Mutter kommt aus Boracay“, ergänzt Mike Ott. Boracay, die Touristeninsel, die vor sechs Monaten noch die Kloake des Archipels war und im Oktober nach einem Rehabilitationsprogramm wieder geöffnet wurde, hat alles, was das sonnige Gemüt eines Urlaubers begehrt: schneeweiße Strände, azurblaues Wasser, Palmen.
Dann kam die philippinische Nationalmannschaft
Aber nicht Palmen, Strand und azurblaues Wasser waren der Auslöser für den Umzug der Ott-Brüder, sondern der Fußball. „Es war 2010“, erinnert sich Manuel „Manny“ Ott. „Ein Scout kam nach Deutschland. Er hatte den Auftrag in ganz Europa, Spieler für die philippinische Nationalmannschaft zu suchen.“ Grundvoraussetzung war neben dem Können ein philippinischer Pass. „Bis dahin wusste ich überhaupt nicht, dass es eine philippinische Fußballnationalmannschaft gibt“, sagt Manuel Ott und lacht. Er wurde in ein Probetrainingslager nach Taiwan eingeladen. Danach unterschrieb er den Vertrag. „Im deutschen Fußball wird es mit jedem Jahr schwieriger, in die engere Auswahl zu kommen. Es gibt sehr viele gute Spieler.“ Die philippinische Nationalmannschaft bot ihm eine Chance. Bruder Mike kam wenig später dazu. Auch er kannte die Azkals nicht. „Auf den Philippinen dreht sich alles um Basketball. Das ist der Sport Nummer eins“, sagt Mike Ott. „Dabei hätte der Fußball hier viel Potenzial, wenn nur die Möglichkeiten für die Spieler besser wären.“Derzeit schlagen sich die Azkals aber gar nicht schlecht. Bei den Südostasienmeisterschaften (AFF Suzuki Cup), die noch bis zum 15. Dezember laufen, haben die Azkals die Mannschaft aus Osttimor mit 3:2 und erstmals die Lions aus Singapur mit 1:0 geschlagen. Gegen Titelverteidiger Thailand spielten sie unentschieden (1:1).
Mit ihrem neuen schwedischen Trainer Sven-Göran Eriksson trainieren die Ott-Brüder seit kurzem unter einer Legende. „Alle haben Respekt vor ihm. Jeder Spieler kennt seinen Werdegang“, sagen sie und klingen ehrfürchtig dabei.
An den Stil des südostasiatischen Fußballs mussten sie sich erst gewöhnen. „In Deutschland ist das Tempo höher, aber hier sind die Spieler quirlig und flink. Die wuseln sich überall durch“, sagt Manuel Ott. „Auch die schwüle Luft macht das Training nicht immer einfach“, sagt sein Bruder, „aber durch die Gene unserer Mutter haben wir eine ganz gute Anpassungsfähigkeit.“ Als Spieler des Ceres Football Club in Bacolod und der Nationalelf pendeln sie regelmäßig zwischen „Sugarcane-Country“ und Manila.
Selfies und Salami
An den übermäßigen Verkehr in der Hauptstadt haben sich die Brüder bis heute nicht gewöhnt. „Da ist Deutschland viel geordneter. Hier ist es ein Geduldstest.“ Beim Essen mussten sie sich nicht besonders umstellen. „Wir lieben Reis – und Kartoffeln.“ Einen deutschen Supermarkt, in dem es Salami und Käse gibt, vermissen sie trotzdem. Tagalog verstehen sie schon ganz gut, mit dem Sprechen hapert es aber noch ein bisschen. Dass sie oft für ein Selfie mit den vorrangig weiblichen Fans herhalten müssen, ist für sie immer noch gewöhnungsbedürftig. „Wir sind eigentlich nicht so die Selfie-Freaks. Da sind wir ziemlich Deutsch“, sagt Manuel Ott.Bacolod und Cebu seien auf den Philippinen die Orte, an denen der Fußball die größte Fangemeinde habe, sagt Manuel Ott, sonst sei Fußball kein großes Thema. Es sei nicht wie in Deutschland, wo manche Vereine auf eine hundertjährige Fangeschichte zurückblicken. Ein paar philippinische Ultras gebe es trotzdem. Mit den Azkals veranstalten die Ott-Brüder ab und zu Probetrainings für Kinder und Jugendliche. „Den meisten macht es viel Spaß. Es gibt einige Talente“, sagt Mike Ott. Auch wenn sie nur zwischen den Zuckerrohrfeldern üben können.