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Malcolm Ohanwe
Zwei Deutsche aus Georgia denken an die Zeit vor der Wende zurück

Vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer
Vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer | Foto (Ausschnitt): © Colourbox

Wie unterschied sich das Leben vor dem Fall der Mauer in Ost-  und Westdeutschland? 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer denken zwei Deutsche aus Georgia an die Zeit vor der Wende zurück.

Von Malcolm Ohanwe X!

Am 9. November feierten wir den 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer, die Deutschland in zwei Staaten trennte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland in vier Zonen aufgeteilt. Die Sowjetunion prägte den Osten, der Westen war unter der Kontrolle der USA, Großbritannien und Frankreich. Im Jahr 1949 wurden schließlich zwei Staaten gegründet, der sozialistische östliche Teil des Landes mit dem Namen Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Westen.

WABE hat sich mit zwei Männern aus Georgia unterhalten, die auf verschiedenen Seiten der Berliner Mauer aufgewachsen sind.

Thomas Kislat ist aufgeregt. Er ist mit seinem Auto auf dem Weg zu einem Mittagessen im Rotary Club in Rome, Georgia. Der 43 Jahre alte Marketing-Direktor will sich mit einem wichtigen Teil seiner Identität auseinandersetzen.

Er ist Ostdeutscher.

„Heute werde ich im örtlichen Rotary Club vor hundert Leuten über den 30. Jahrestag der Berliner Mauer reden,“, erzählt er. „Ich werde einen Überblick über die Geschichte der Mauer geben, wie alles anfing und wie das Leben hinter dem Eisernen Vorhang war, hinter dem ich aufgewachsen bin. Ich werde auch meine persönlichen Erfahrungen berichten, wie es war, als die Mauer fiel.“

Christian Höferle ist 48 und lebt in Atlanta. Er stammt ursprünglich aus Westdeutschland.

Er sitzt im Der Biergarten Downtown, einem Restaurant mit deutschem Flair. Deutsche Popmusik tönt aus den Boxen und es hängen Bilder von hellhäutigen, blonden Männern in Lederhosen an der Wand.

Höferle bemerkt sofort die pseudo-deutschen Sprüche an der Wand.

„Da steht: ‚Erst mach dein Sach, dann trink und lach‘. Diesen Spruch habe ich noch nie gehört und verbinde es auch nicht mit Bayern, also alle Achtung“, lacht er.

Er weiß, dass einige Amerikaner eine stereotype Sichtweise auf Deutschland haben. Das war ihm gleich aufgefallen, als er vor 31 Jahren in die Staaten gezogen ist. Ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer.

„Ich bin das erste Mal als Teenager in die USA gekommen, als Austauschschüler im Nordwesten von Minnesota,“ erzählt Höferle. „Die Winter sind da unglaublich kalt und viele interessierten sich für das Land, aus dem ich kam.“

Die Tatsache, dass es damals zwei deutsche Staaten gab, hat die Menschen verwirrt.

„Ich glaube, dass damals der Osten und der Westen von dem globalen Konflikt zwischen den beiden Weltmächten geprägt war, der leicht hätte zu einem dritten Weltkrieg führen können. Ich denke, dass Deutschland einfach eine Schachfigur in diesem Spiel war,“ sagt er. „Manche fragten mich, aus welchem Deutschland ich komme, und ich sagte, dass wenn ich aus Ostdeutschland kommen würde, ich wahrscheinlich nicht bei ihnen sitzen würde.“

Damals war das Privileg in andere Länder zu reisen, geschweige denn auf einen anderen Kontinent wie Amerika, etwas wovon der Ostdeutsche Kislat nur träumen konnte, erzählt er vor seinem großen Vortrag.

„Ich habe einen zehn Jahre alten Sohn und wenn ich an die Zeit zurückdenke, als ich zehn war, lebte ich hinter dem Eisernen Vorhang; es gab nur etwa sechs Länder, in die ich reisen konnte,“ überlegt er. „Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich mir jemals ausmalen können, Karriere zu machen und in den Vereinigten Staaten von Amerika zu leben, dem Symbol der Freiheit. Es ist einfach unglaublich.“

Als er im Rotary Country Club ankommt, ist die Halle bereits voll. Alle Augen des überwiegend amerikanischen Publikums sind auf ihn gerichtet.

In seinem Vortag erzählt er, mit welcher Vehemenz das ostdeutsche Regime seine Grenzen schützte.

„Es gab Beobachtungstürme und einen Grenzstreifen; es gab einen zehn Meter breiten Kontrollstreifen, den sie den Todesstreifen nannten,“ erzählt er. „Dieser machte jeden Versuch, die Grenze unbefugt zu überqueren, unmöglich.“

Er spricht auch über die sozialen Rückschläge, die die Menschen in der DDR erleiden mussten.

„Man konnte sich nicht einfach für eine Berufsausbildung entscheiden. Und für Luxusgüter gab es lange Wartelisten. Man musste etliche Monate oder sogar Jahre warten, um solche Dinge kaufen zu können,“ erzählt er. „Es war auch immer jemand um dich herum. Die Hälfte der Leute arbeitete für den Staatssicherheitsdienst. Redefreiheit existierte nicht. Sogar bei uns zu Hause sagten meine Eltern immer, ich solle vorsichtig sein, was ich sage.“

Auch wenn diese Unterdrückung jetzt Vergangenheit ist, gibt es noch immer eine große soziale Kluft zwischen den beiden Teilen Deutschlands. Bis heute gibt es für Ostdeutsche und Westdeutsche sogar umgangssprachliche Bezeichnungen, berichtet Kislat.

„Bedauerlicherweise haben wir den Prozess noch nicht abgeschlossen. Es gibt  immer noch eine Ossi- und Wessi-Mentalität, die zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen differenziert. Sogar heute, nach 30 Jahren, gibt es noch immer Unterschiede, die wir überwinden müssen,“ sagt er.

Laut Höferle, dem Westdeutschen, geht diese Ungleichheit darauf zurück, dass die beiden Länder nicht gleichwertig wiedervereint wurden, sondern dass der finanziell schwächere Osten sich dem Westen angleichen musste.

„Als ein Kind des privilegierten Westens ist es für mich einfach, mit dem Finger auf die anderen zu deuten und zu sagen, wir hätten es alles anders machen sollen oder müssen. Aber als die Mauer fiel, wurde Ostdeutschland einfach zum westlichen Teil hinzugefügt“, sagt er. „Sie haben einfach den gesetzlichen Rahmen des Westens genommen, ohne wesentliche Änderungen, und ich glaube, dass das eine Art Identitätskrise bei den beinahe 16 Millionen ehemals Ostdeutschen ausgelöst hat, die Westdeutschland beigetreten sind.“

Mittlerweile bekam Kislat großen Beifall beim Rotary Club. Auch Höferle hat letztendlich im Biergarten ein Bier gefunden, das ihm schmeckt. Beide Deutsche sind vereint, nicht nur durch die gemeinsame Vergangenheit der beiden Teile ihres Landes, sondern auch dadurch, dass sie eine neue Heimat hier in Georgia gefunden haben.

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