„No Date, No Signature“ and „Dissapearance“, zwei Sozialdramen aus der neuen Generation iranischer Filmmacher, wurden während des 19. Internationalen Filmfestivals in Bratislava gezeigt.
Die Farben in Vahid Jalilvands zweitem Spielfilm „No Date, No Signature“ sprechen eine eigene Sprache: eine graue, weiße, braune und schwarze Palette undurchsichtiger Dunkelheit. Nur wenige Farben kann der Zuschauer in dieser Untersuchung von Schuld und Verantwortung entdecken. Aber bei diesen Themen sind die Dinge nur selten schwarz und weiß.
Der Arzt Kaveh Neriman, gespielt von Amir Aghai, gerät in einen kleinen Unfall mit einer Familie auf einem Motorrad. Zunächst scheint es dem verletzten Jungen Amir Ali mehr oder weniger gut zu gehen, der Arzt rät der Familie jedoch, ihn trotzdem für einen Check-Up ins Krankenhaus zu bringen.
Als Dr. Neriman am nächsten Tag zur Arbeit geht, erfährt er, dass der Junge in den frühen Morgenstunden verstorben ist. Von diesem Moment an plagt vor allem eine Frage seine besessenen Gedanken: Ist er verantwortlich für den Tod des Kindes?
Die Autopsie zeigt keine Zeichen eines schweren Traumas, der Grund für den Tod scheint Botulismus zu sein, eine schwere Form der Nahrungsmittelvergiftung. Der zweite potentielle Täter könnte also der Vater des Jungens sein, Moosa, gespielt von Navid Mohammadzadeh. Er kaufte billige Hühnerkadaver und gab sie seinem Sohn zu essen.
Dies führt zu der bedeutungslosen Suche des Doktors nach Sicherheit – eine in der Tat sehr menschliche Eigenschaft: das Bedürfnis, Antworten zu finden und Schuld und Verantwortung zu bestimmen – und dem Wunsch des Vaters nach Rache. Dr. Neriman exhumiert den Körper des Jungens, Tage nachdem dieser bereits beerdigt wurde, um das Trauma zu finden, das er mitunter vom Unfall davon trug und ihn schließlich tötete. In einer Schlüsselszene geht Amir Alis Vater zurück zu dem Mann, der ihm die verrotteten Hühnchen verkaufte. Dies ist der Punkt an dem „No, Date, No Signature“ die nötige Energie für ein derartiges Sozialdrama findet. Abgesehen davon bleibt der Film gefühlsmäßig zurückhaltend, in dem Sinne, dass die Schwere des Themas und der Zuschauer relativ unverbunden mit der existentiellen Suchen der beiden Männer bleibt.
Der Schmerz des Nicht-Wissens rückt in Ali Asgaris Film „Disappearance“ in den Hintergrund. Das junge Paar, welches im Mittelpunkt des Sozialdramas steht, weiß ganz genau, was passiert ist: Sie hatten vorehelichen Sex. Sara, gespielt von Sadaf Asgari, benötigt dringend medizinische Eingriffe, da sie nach der sexuellen Begegnung unter starken Blutungen leidet. Die ganze Nacht über versuchen sie und ihr Freund medizinische Hilfe zu bekommen, aber die Islamische Republik ist unerbittlich. Für derartige Eingriffe ist ein Ehenachweis nötig – und diesen haben die beiden nicht. Während sie sich von Krankenhaus zu Krankenhaus schleppen, denken sie sich Geschichten und Lügen aus, um die Grenzen, die ihnen auferlegt sind, zu unterlaufen und das Geschehene ungeschehen zu machen. Das Paar will vermeiden, dass Saras Eltern von der Geschichte erfahren, insbesondere da Saras Mutter nichts von ihrer Beziehung weiß und diese missbilligen würde.
Saras gesundheitlicher Zustand wird den gesamten Film über nur als „Problem“ bezeichnet. Was ihr passiert ist, wird nicht in klaren, deutlichen Worte artikuliert, entsprechend der Tabus, die bezüglich dieser Themen in der iranischen Gesellschaft herrschen. Es ist erfrischend mal einen Film von einem Mann zu sehen, über Themen, die meistens als weibliche Probleme dargestellt werden. Dafür hat Asgari eine Geschichte entwickelt, in der männliche Charaktere Verantwortung übernehmen.
Parallel dazu regt der Regisseur eine Diskussion über ein wichtiges Thema an, obwohl er „Disappearance“ dem iranischen Publikum noch nicht zeigen konnte. Dort würde der Film wohl die meiste Resonanz erzeugen.
Weder „Disappearance“ noch „No Date, No Signature“ brechen neue Techniken oder Erzählweisen auf, aber beide Filme sind gute Beispiele der jüngsten Generation von Filmemachern. Die Einflüsse Asghar Farhadis und Rakhshan Bani-Etemad haben den Weg für Filmemacher wie Asgari und Jalilvand geebnet, indem sie Fragen nach Rache, Schuld, Verantwortung und Freiheit durch Erzählungen über die iranische Mittelklasse und ihrer Probleme, aber auch Drogenmissbrauch, Prostitution und andere soziale Themen im Film stellen. Grundsätzlich nutzen sie das erzählende Kino um größere Geschichten zu erzählen und tief in der Gesellschaft verwurzelte Probleme zu beleuchten. Dieses sozialkritische Kino markiert, zumindest zum Teil, eine Abkehr von eher poetischen Filmemachern, wie beispielsweise Abbas Kiarostami oder Mohsen Makhmalbaf, aber auch weibliche Regisseurinnen, so wie Pouran Derakhshandeh oder Tamineh Milani, haben bereits das Unglück des Landes in Fiktion dargestellt.