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Eine Ausstellung über die Berliner Fußballgeschichte

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Eine Ausstellung in Berlin zeigt nicht nur die Geschichte der Fußballvereine der Stadt, sondern auch, wie sie die politische Situation in Deutschland im Lauf der Jahrzehnte beeinflusst hat und umgekehrt.

Hertha ist der erfolgreichste und populärste Fußballclub in Berlin, doch die Ausstellung anlässlich seines 125-jährigen Bestehens stellt ihn lediglich als einen Teil der reichen und komplizierten Fußballgeschichte in der Stadt vor.

Die Ausstellung „Hauptstadtfußball – 125 Jahre Hertha und Lokalrivalen“ erstreckt sich über vier Etagen des Ephraim-Palais und zeigt Artefakte, Archivbilder, Videoreportagen und Fußballspielmomente, angefangen von Ausschnitten aus den 1920er-Jahren, sowie Bereiche, die einzelnen Personen gewidmet sind, die in der Geschichte des Vereins eine Rolle gespielt haben.

Obwohl der Fokus der Ausstellung auf Hertha liegt, umreißt die Ausstellung den gesamten historischen Kontext der Gründung und Entwicklung der Mannschaft (infolge der starken Arbeiterbewegungen Ende des 19. Jahrhunderts), die Anfänge des deutschen Fußballs, die Situation anderer Berliner Mannschaften (über 400) und befasst sich mit der Frage, welche Kultur und welche Werte dahinter stehen.

Zu den Vereinen, deren Geschichte gezeigt wird, gehören Germania 1888, die älteste Mannschaft Deutschlands, Tennis Borussia (gegründet als Tischtennis-Verein, Hauptkonkurrent von Hertha in den 1920er-Jahren und mit bis heute lebendigen liberalen Traditionen), Tasmania (nach der am weitesten verbreiteten Version kommt der Vereinsname von den beiden Gründern, die Ende des 19. Jahrhunderts versuchten, auf diese Insel vor Australien auszuwandern, was ihnen jedoch nicht gelang), Dynamo (bekannt als Lieblingsverein des Stasi-Chefs Erich Mielke und heute mit rechtsextremen Fans), sowie der zweitbeliebteste Verein Union (mit dem stärksten Rückhalt in der Arbeiterklasse in Ostberlin und bei den Gegnern von Dynamo).

Ein großer Teil dieser Mannschaften gehört seit Jahren nicht mehr zur Elite und nicht einmal zum Profifußball, trotzdem haben sie bis heute ihr Stammpublikum.

„Die englische Krankheit“

Die Ausstellung blickt auf die schwierige Entstehungsgeschichte des Fußballs in Deutschland zurück. Diese spielte sich vorwiegend in Berlin (und hier besonders im Umfeld der britischen Studenten der Technischen Universität), Hamburg und Frankfurt ab. Am Anfang wurde der Fußball kritisiert, weil er für viele sinnlos wirkte, und auch weil er mit der englischen Kultur in Verbindung gebracht wurde, weshalb er als „englische Krankheit“ bezeichnet wurde. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam er bei der Mittel- und der Oberschicht zu Popularität.

Die Tatsache, dass die Mannschaften die Landesbezeichnung oder die lateinische Benennung von Preußen (Borussia) im Namen trugen, war der Weg der Enthusiasten, den Sport zu „verdeutschen“. Die erste Mannschaft von Hertha, eingetragen von einem Onkel zweier Brüder im Teenageralter, kam im Jahre 1892 zusammen. Zur Zeit der Gründung des Deutschen Fußball-Bundes im Jahre 1900 gab es bereits 85 eingetragene Vereine.

Der Fortschritt fand während des Ersten Weltkriegs ein jähes Ende, als Spielfelder und Sporthallen zu Krankenhäusern umgebaut wurden, dennoch wurde dieser Sport zunehmend von den Soldaten an der Front betrieben. Wirklich beliebt wurde der Fußball nach dem Ersten Weltkrieg als probates Mittel zur Entspannung nach einem achtstündigen Arbeitstag. Seine Popularität wird auch in einen untrennbaren Zusammenhang mit der Einführung des Rundfunks und des Fernsehens gebracht. Das erste Liga-Fußballspiel wurde im Rundfunk am 13. Juni 1926 übertragen und von 400.000 Menschen gehört. Zur Ausstellung gehört auch eine Reproduktion des ersten dem Fußball gewidmeten Poems: „Fußballwahn“ von Joachim Ringelnatz aus dem Jahr 1923.

Der Beitrag der Juden und der Zweite Weltkrieg

Die Ausstellung verschweigt auch nicht die schwierigen Momente des Berliner Fußballs während des Naziregimes.

Tennis Borussia, der Hauptrivale von Hertha bis zum Zweiten Weltkrieg, wurde im April 1902 in einem Tortenladen eröffnet, wobei die Inhaber am Anfang Tennis und Ping-Pong anboten, bevor sie eine Fußball- und Boxschule eröffneten. In den nächsten Jahren gehörten sie zu den Mannschaften, die von der jüdischen Gemeinschaft unterstützt werden. Einer der Gründer, Richard Gulatis, ist auch Autor des ersten Buches, das sich mit dem Fußball und seinen Regeln befasst.

Im Jahr 1932 wurden sie Berliner Meister, aber die folgenden Jahre waren für die Mannschaft schwierig. 1933 verbot die NSDAP den Juden, professionell Fußball zu spielen, wodurch Tennis Borussia ein Drittel seiner Spieler, aber auch seine wichtigsten Sponsoren verlor. Vor diesen Ereignissen gab es in Berlin noch fünf Mannschaften, deren Spieler vorwiegend jüdischer Herkunft waren, und sogar eine jüdische Fußballliga.

Derzeit spielt die Mannschaft, die hauptsächlich den Stadtteilen Mitte und Charlottenburg verbunden ist, in der fünften Liga, verfügt aber über aktive Fans, die oft auf die Ursachen von Antisemitismus hinweisen und sich für Einwanderung und Menschenrechte einsetzen. Die Regenbogenfahne der LGBT-Bewegung ist integraler Bestandteil ihrer Spiele.

Interessant ist auch die Geschichte des Mannschaftsarztes der Hertha, Hermann Horwitz, eines der ersten Fußballärzte überhaupt. Er führte auch eine für seine Zeit innovative Idee ein, nämlich, dass Fußballspieler bei Prellungen auf dem Spielfeld behandelt werden, statt sie ins Krankenhaus zu bringen. Nachdem er im Jahr 1923 zur Mannschaft gekommen war, spezialisierte er sich auf die Behandlung von Tuberkulose in der Sportmedizin. 1938 wurde er aufgrund seiner jüdischen Herkunft entlassen und im Jahr 1943 ins Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert. Wegen seiner ärztlichen Ausbildung wurde er von den Nazis für ihre gewaltsamen Praktiken benutzt, einschließlich der Selektion, welche Personen in die Gaskammer geschickt wurden und welche nicht. Es gibt Angaben darüber, dass es ihm gelungen sein soll, Juden zu retten.

Obwohl Hertha-Fans im Laufe der Zeit immer wieder versucht haben, Informationen über seine letzten Jahre zu sammeln, gibt es keine eindeutigen Hinweise. Es wird vermutet, dass er zwischen 1943 und 1945 in Auschwitz gestorben ist.

Während die Meisterschaft in Großbritannien 1939 abgebrochen wurde, gingen die Ligaspiele in Deutschland fast über den gesamten Zeitraum des Zweiten Weltkriegs weiter, als Zeichen dafür, dass es keinen Grund zur Besorgnis gebe, und um die Aufmerksamkeit der Massen weitestgehend abzulenken.

Der Frauenfußball

In der Ausstellung wird auch ein wenig diskutiertes, doch interessantes Thema behandelt. Der Frauenfußball wurde in Deutschland gleichzeitig mit der Entstehung dieses Sports eingeführt, doch die Gesellschaft war dieser Tatsache gegenüber in keiner Weise tolerant. Erst in den 1920er-Jahren wurde die Idee, dass eine Frau aktiv Sport treiben kann, allmählich eher akzeptiert.

Im Jahr 1955 wurde der Frauenfußball aufgrund von Befürchtungen, diese Sportart könne für Frauen zu gefährlich sein, verboten. Infolgedessen verkleideten sich die Spielerinnen als Männer, damit sie spielen konnten, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Trotz des Verbots wurde 1957 in Berlin die Europameisterschaft der Frauen durchgeführt, und 1969 gründete Tennis Borussia parallel zur Männermannschaft die erste Frauenmannschaft. Ein Jahr später wurde der Profifußball erlaubt und ein weiteres Jahr später auch eine Liga gegründet. Heute sind über 16.500 Spielerinnen in den Berliner Mannschaften aktiv, und die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen gewann im Jahr 2003 die Weltmeisterschaft und ist in der FIFA- Weltrangliste auf Platz zwei.

Die Ausstellung „Hauptstadtfußball 125 Jahre: Hertha BSC & Lokalrivalen“ ist im Ephraim-Palais bis 7.Januar 2018 zu sehen.