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Kathrin Schrocke
Babybedenkzeit

Barnies Leben in einer Regenbogenfamilie wird schwierig, als sie gemeinsam mit einem Nachbarjungen an dem Projekt „Babybedenkzeit“ teilnimmt.

Von Holger Moos

Schrocke: Bunte Fische überall © Mixtvision Seit Kathrin Schrocke hauptberuflich schreibt, gilt ihr Interesse Außenseitergeschichten und alternativen Lebenswelten. Freak City, das 2011 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war, spielt in der Welt der Gehörlosen. In Immer kommt mir das Leben dazwischen (2019) hilft ein Jugendlicher seiner Oma, in ein Mehrgenerationenhaus zu ziehen. In ihrem aktuellen Buch Bunte Fische überall geht es nun um den gesellschaftlichen Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe.

Barnie hat es nicht leicht. Sie wird von zwei Vätern großgezogen, Papa und Dad. Ersterer ist ihr biologischer Vater, letzterer dessen amerikanischer Mann. Doch das ist für Barnie kein Thema. Sie hat früh akzeptiert, dass sie ohne Mutter aufwächst und dass das gut so ist. Nun hat sie ganz andere Probleme. Zum Beispiel, dass sie zu ihrem 13. Geburtstag nicht das ersehnte iPad, sondern nur ein doofes Notizbuch bekommt – dank der Technikaversion von Papa, der zu allem Überfluss auch noch Süßigkeiten ablehnt. Ein richtiger Helikopter-Vater ist er ebenfalls. Zum Glück sieht Dad alles etwas lockerer.

Elternpraktikum

An Barnies Schule startet das Projekt „Babybedenkzeit“ (das gibt es wirklich: www.babybedenkzeit.de), eine Art Praktikum, in dem man Elternfähigkeiten erlernt und ausprobiert: Die Schülerinnen und Schüler müssen sich für ein paar Tage und Nächte paarweise um ein computergesteuertes Plastikbaby kümmern, das Bedürfnisse wie ein echtes Baby entwickelt.

Barnie und der Nachbarjunge Sergej, in den sie sich etwas verguckt hat, nehmen sich als „Eltern“ eines dieser Babys an. Sie nennen es Herbie. Eigentlich soll das Projekt ja aufklärend wirken und minderjährige Schwangerschaften verhindern helfen. Doch ausgerechnet bei Herbies anstrengender Pflege kommen sich die beiden näher.

Das Aufwachsen in einer Regenbogenfamilie findet Barnie total normal, doch in der Schule sehen das nicht alle so. Sie muss schmerzhaft erfahren, dass Außenstehende keinen unvoreingenommenen Blick auf ihre Familie haben. Auch Sergej wird von seiner Peergroup in ungeahnter Weise beeinflusst. Damit hat Barnie nicht gerechnet, sie fällt aus allen Wolken.

Liebe ist immer ein Wunder

Schrocke erzählt Barnies Geschichte in dem tagebuchartig geschriebenen Roman humorvoll, abwechslungsreich und lebendig. Ein paar Gedichte und Gedanken aus Barnies Notizbuch geben dem Thema einen anderen Dreh, etwa wenn sie schreibt: „Natürlich ist es nicht natürlich, wenn Männer sich in Männer verlieben und Frauen in Frauen. Natürlich ist Liebe immer ein Wunder.“

Nur an manchen Stellen schimmert die pädagogische Absicht der Autorin zu sehr durch, dann klingt das Tagebuch etwas zu reif und abgeklärt für eine 13-Jährige. Aber vielleicht braucht es noch Zeit, um für die Jugendliteratur zu diesem Thema die richtige, nämlich eine ganz selbstverständliche und natürliche Sprache zu finden. Bis dahin lese man dieses Buch!

Dieser Text ist zuerst in der Süddeutschen Zeitung erschienen.
 
Rosinenpicker © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank Kathrin Schrocke: Bunte Fische überall
München: Mixtvision, 2021. 200 S.
ISBN: 978-3-95854-170-2

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